Untitled
Singstimme …«
Molly hätte mit dem größten Vergnügen einfach nur d a sitzen und ihm beim Vorlesen des Telefonbuchs zuhören können. Seine Hände an der Teetasse betrachten, sich in den Erinnerungen an seine Berührungen baden …
Wie lange mussten sie dieses Spielchen denn noch spielen?
Er wusste genau, was sie dachte, denn er vermied ganz bewusst jeden Blickkontakt.
Und machte einfach weiter. »Pater Tom hat erzählt, dass er seine Kindheit in Manila verbracht hat. Als er sieben Jahre alt war, griffen die Japaner an.«
Gina, am anderen Ende des Zeltes, war unnatürlich schweigsam. Sie saß auf ihrem Bett, so weit wie möglich von Jones entfernt, und ihre Körpersprache war durch und durch ablehnend. Sie saß leicht abgewandt und hatte die Arme fest über der Brust verschränkt.
»Toms Mutter kam dabei ums Leben«, fuhr Jones fort. »Auf recht brutale Art und Weise, wie ich mir denken kann. Sein älterer Bruder Alvin ist mit ihm in den Dschungel g e flüchtet.«
Molly beobachtete, wie Gina eine dünne Stelle auf ihrem Blusenärmel untersuchte. Es war fast so, als wollte sie um jeden Preis den Blickkontakt mit Jones vermeiden.
Der immer weiterredete. »Die beiden waren ein ziemlich erfolgreiches Guerilla-Gespann und für etliche recht schwer wiegende Sabotageakte während des Krieges verantwortlich.«
War es möglich, dass Gina sich in seiner Gegenwart u n wohl fühlte? Sie hatten schließlich nicht jeden Tag Männe r besuch. Und wenn, dann waren es in der Regel Priester. Oder liebenswerte Dreifach-Fs, wie Gina immer sagte: fünfzig, freundlich, ferheiratet.
»Sie haben sich unter die Einheimischen gemischt und sind nie entdeckt worden«, erzählte Jones weiter. »Niemand hat für möglich gehalten, dass es Kinder waren, die solch schwerwiegende Beeinträchtigungen des Truppen-Nachschubs herbeigeführt hatten. Bemerkenswerte Männer. Alvin lebt noch und wohnt in San Francisco. Er war damals gerade erst elf Jahre alt.«
Dann machte er mit einer detaillierten Beschreibung von Pater Jürgen weiter.
Vielleicht fühlte sich Gina durch Jones ja an einen der Flugzeugentführer erinnert, die sie als Geisel genommen und mit vorgehaltener Waffe bedroht hatten. Oder vielleicht war sein lächerlicher nachgemachter Akzent so ähnlich wie der eines ihrer Entführer.
Gina schien relativ problemlos mit ihrem Martyrium fertig geworden zu sein, obwohl es erst vor wenigen Jahren passiert war. Sie machte einen psychisch gesunden und stabilen Ei n druck.
Das Entscheidende dabei war aber, dass es so schien. Was Gina wirklich dachte, konnte Molly natürlich nicht wissen.
Es war durchaus denkbar, dass sie nur eine große Show a b zog.
Klare Sache: Molly und Gina mussten sich unterhalten.
»Ich weiß nicht mehr ganz genau, ob nun Pater Dieter oder Pater Jürgen die Balthasar-Strophe von ›We Three Kings‹ gesungen hat, als wir in Nakuru angekommen sind, aber ich glaube doch, es war Pater Jürgen.«
Er holte Luft und Molly unterbrach ihn. »Noch ein wenig Tee, Mr. Pollard?«
Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Nein danke. Es ist spät geworden. Ich sollte besser gehen.«
Wollte er sie eigentlich veräppeln? Er war doch noch keine Viertelstunde hier. Molly konnte einen enttäuschten Laut nicht unterdrücken.
Daraufhin beugte Gina sich vor. »Ihr wolltet doch E r innerungen an Dave Jones austauschen. Ich habe ihn gar nicht gekannt, also kann ich nicht viel dazu beitragen, im Gegensatz zu Ihnen. Was war er für ein Mensch?«
Jones warf Molly einen Blick zu. »Nun ja. Er war … groß.«
»Groß.« Auch Gina warf Molly einen Blick zu. Nur dass ihrer laut und deutlich sagte: Was labert dieser Idiot da eigentlich?
»Sehr groß«, meinte Jones. »Größer als ich.« Er stand auf. »Ich muss jetzt wirklich gehen.«
Er reichte Molly seine Tasse, sorgte dafür, dass ihre Finger sich berührten, wenn auch viel zu kurz, und verließ dann unter zahlreichen Dankeschöns und Guten-Abends das Zelt.
Ohne darauf zu warten, dass seine Schritte nicht mehr zu hören waren, wandte Molly sich Gina zu: »Ist mit dir alles in Ordnung?«
»Ist mit dir alles in Ordnung?«, gab Gina sotto voce zurück. »Junge, Junge, kann man sich eigentlich noch b e scheuerter anstellen als dieser Typ? Du willst über Jones reden und er …? Kriegt nichts anderes zustande als groß? Und hat er wirklich geglaubt, es würde mich interessieren, ob der Anteil der Originalpolsterung nun auf dem vierten oder auf dem fünften Sitz hinter dem
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