Untitled
sowieso schon gehofft, dass Ginas Kamera einfach irgendwann gestohlen wurde. Vielleicht würde ihr das helfen, den Blick nach vorne zu richten. »Schätzchen, du musst jetzt nicht nach einem Grund dafür suchen, dass du Leslie Pollard nicht besonders attraktiv findest«, sagte sie und griff nach Ginas Hand. »Früher oder später läuft dir jemand über den Weg, bei dem es sich richtig anfühlt, und dann …«
Gina seufzte. »Ich weiß. Ich meine bloß …« Sie verdrehte erneut die Augen. »Abgesehen davon, dass Leslie nur deshalb an mir Interesse zeigt, weil er mich für pervers hält, finde ich ihn irgendwie … Na ja, er ist ja hier, nicht wahr? Mit AAI. Also muss er irgendwie nett sein. Dämlich, aber nett. Und ich will seine Gefühle nicht verletzen. Aber vielleicht … kannst du ihn einfach nicht mehr einladen, okay? Lass ihn nicht mehr in unser Zelt, bitte. Ich glaube, wenn ich ihm eine Weile aus dem Weg gehe, dann kapiert er, dass ich nicht an ihm interessiert bin.«
Ihn nicht mehr einladen? Ausgeschlossen.
»Weißt du, es ist schon komisch«, sinnierte Gina, »wenn man jemanden wie Leslie plötzlich in einem völlig neuen, unerwarteten Licht sieht. Schließlich, wenn man ihn anschaut, denkt man ja nicht: ›Wow, nackt sieht der bestimmt toll aus‹. Ich meine, was wissen wir noch alles nicht über ihn? Meinst du, er gehört zu den Typen, die ihrem Penis einen Namen geben? Oder vielleicht hat er ja ein Zungen-Piercing oder …«
»Und wenn du nun falsch liegst?«, wollte Molly wissen. »Wenn es ihm gar nicht um dich geht?«
»Was?« Na, jetzt hatte Gina aber wirklich eine komplett ahnungslose Miene aufgesetzt.
Ganz offensichtlich hatte die junge Frau nicht die leiseste Andeutung eines Gedankens daran verschwendet, dass Leslie Pollard vielleicht wegen Molly zum Tee gekommen sein könnte.
Das tat weh, und Molly reagierte gereizt. »Glaubst du vielleicht, dass ich zu alt für ihn bin?«, fragte sie, und ihre Stimme klang nur ein winziges bisschen zu scharf.
»Du? Und … Leslie?« Ginas Worte verrieten ihre Ve r blüffung, doch sie erkannte schnell, wie beleidigend das klingen musste und fing sofort an zurückzurudern. »Aber natürlich bist du nicht zu alt. Ich meine, du bist überhaupt nicht alt. Ich meine, na ja, wahrscheinlich bist du älter als er. Und er ist wahrscheinlich jünger, als du denkst – ich hätte auch gedacht, dass er älter ist, aber nachdem ich ihn jetzt, du weißt schon … ich würde schätzen, er ist höchstens Anfang dreißig.«
Sie machte es nur noch schlimmer, und sie wusste es. »Was nicht zu jung ist für dich«, fuhr sie fort. »Ich habe nur … Ich hätte nicht gedacht, dass du … ich meine … du bist doch in Trauer«, fügte sie noch hinzu, aber dann – kluges Mädchen – dachte sie über ihre Worte nach. Und dann, als sie einen Blick auf Mollys rot lackierte Zehennägel und in ihre Augen geworfen hatte, war es plötzlich offensichtlich, dass Molly nicht in Trauer war. Eigentlich überhaupt nicht. »Oh mein Gott.« Dann dämmerte ihr die ganze Wahrheit. »Leslie ist …«
»Pssst. Sprich es nicht aus«, unterbrach Molly sie.
Gina starrte sie mit weit aufgerissenen Augen an. »Ach du Scheiße. Hab ich Recht?«
Oh verdammt.
»Ich habe Recht«, keuchte Gina. »Oh Gott. Noch ein Geheimnis, das du … na, was? Mir niemals erzählt hättest?« Doch ihre Wut verwandelte sich sofort in Freude. »Oh, Mol, du bist so mies, und nachher bin ich wahnsinnig sauer auf dich, das verspreche ich dir, aber das ist ja großartig! Ich freue mich so für dich – ich glaube, ich fange gleich an zu hype r ventilieren!« Gina umarmte sie. »Hast du gewusst, dass er herkommen will? Hat er dir geschrieben oder …?«
Molly schüttelte den Kopf.
»Er ist einfach aufgetaucht?« Gina gab sich alle Mühe, leise zu sprechen. »Oh mein Gott. Hast du dir nicht vor lauter Freude in die Hose gemacht?«
Molly nickte mit Tränen in den Augen. »Ganze Seen. Gina, du darfst es niemandem verraten.«
»Versprochen. Ich schwöre.«
»Ich wollte es dir sagen, aber er … Auf seinen Kopf war so eine hohe Belohnung ausgesetzt, und er hat Angst, dass b e stimmte Leute immer noch nach ihm suchen.«
»Bestimmte Leute?«, hakte Gina nach.
»Leute, die zu dem Mann gehören, der die Kopfprämie auf ihn ausgesetzt hat«, erläuterte Molly. »Vielleicht sogar Kop f geldjäger, ich weiß nicht. Ich weiß nur, dass er fest en t schlossen ist, die ganze Sache sehr, sehr langsam anzugehen. Er befürchtet, dass
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