Untitled
Eulalia. „Ist euch denn immer noch nicht klar, daß wir diesen Jüngling gar nicht zu Gesicht bekommen sollten! Erinnert euch doch, wie Hochwürden, der Doktor und unsere Freundin bemüht waren, uns vom Keller fernzuhalten!" Eulalia bekam vor Aufregung rote Flecken auf beiden Wangen.
„Also doch kein Zufall, daß die beiden Herren an unserem Kränzchen teilgenommen haben! Lieber haben sie sich über unsere Themen gelangweilt, als daß sie Gefahr liefen, wir könnten diesen geheimnisumwitterten Fremden entdecken", flüsterte Sidonie entsetzt.
„Von wegen Ungeziefer! Und wir sind alle darauf hereingefallen!" rief Clothilde.
„Welche gute Hausfrau läßt schon unwidersprochen eine solche Schande auf sich sitzen! Dazu ohne jeglichen ersichtlichen Grund. Es sei denn, man hat etwas zu verbergen!" triumphierte Eulalia.
„So ist es", ergänzten Trani und das Fräulein einmütig. Die Bösartigkeiten waren vergessen. Für fünf ältliche Damen galt es, ein Geheimnis zu lüften. Und alle brannten darauf, sich daran zu beteiligen.
Clothilde setzte ihren Hut ab und machte sich daran, einen Schlachtplan zu entwerfen. „Am besten wäre es, wenn wir unsere Freundin und die beiden Herren ständig observieren würden, nicht wahr, meine Lieben?"
„Noch eines wäre interessant zu wissen", fiel Trani Clothilde ins Wort. „Ob unsere Nachbarin wohl auch einen dieser mysteriösen Briefe erhalten hat?"
„Warum sollte sie nicht?" Sidonie ließ ihre zittrige Stimme erklingen. „Sie war doch immer sehr exzentrisch!" Damit war für sie der Fall klar. Für sie gab es keine Frage „ob oder ob nicht".
„Ach, du meinst, nur weil sie sich exzentrisch gibt, muß sie einen dieser merkwürdigen Briefe bekommen haben? Eulalia schüttelte über soviel Einfalt den Kopf. „Wir wollen", fügte sie hinzu, „auf jeden Fall sicher gehen! Wie wäre es, wenn jemand von uns sie unter irgendeinem Vorwand aufsucht, um dadurch herauszubekommen, ob ein solcher Brief existiert?" Erwartungsvoll schaute sie in die Runde.
Trani meldete sich zu Wort und meinte, da sie ja gegenüber wohne, wolle sie diese Aufgabe gerne übernehmen. „Ich kann ja sagen, daß Hochwürden sein Gebetbuch vermisse. Ob ich mich bei ihr umschauen dürfte, er sei nämlich nicht sicher, ob er es nicht an dem bewußten Nachmittag bei ihr vergessen hätte."
„Ausgezeichnete Idee!" Die vier nickten zustimmend.
„Außerdem", fuhr sie fort, „sollte sich immer jemand von uns abwechselnd in meinem Zimmer aufhalten, um das Haus gegenüber jederzeit im Auge zu behalten!"
„Glauben Sie nicht, Liebste ..." – Eulalia war derart fasziniert, daß sie gar nicht bemerkte, eine Bedienstete mit einer solchen vertraulichen Anrede zu bedenken – „... es würde auffallen, wenn sich noch jemand im Pfarrhaus befände? Hochwürden würde doch sicher Verdacht schöpfen!"
„Nein, nein! Ich habe ja einen separaten Eingang. Außerdem betritt Hochwürden niemals unaufgefordert mein Zimmer", beruhigte Trani die anderen.
In bestem Einvernehmen trennte man sich. Eine neue Verschwörergruppe war aus der Taufe gehoben.
Während „die fünf" eingehende Beratungen anstellten, hinter das Geheimnis „der drei" zu kommen, drehte sich Madame vor ihrem kostbaren Barockspiegel. Von Minute zu Minute wurde sie unglücklicher. Die Kleiderfrage stellte sich schon bald als ein schier unüberwindliches Problem dar.
Ihre Figur war zwar unverändert, so daß alle Kleider, die sie größtenteils auf dem Dachboden in einer alten Truhe aufbewahrte, noch paßten. Aber sie waren so schrecklich altmodisch!
Ihr fliederfarbenes Verlobungskleid ...! Es soll weiterhin schöne Erinnerungen in ihr wachhalten und nicht durch eine Geisterstunde entwürdigt werden. Das Cremefarbene, das sie zu ihrer Brautsoiree trug ...? Ebenfalls nicht. Es war auch viel zu pompös.
„Wenn ich doch nur jemanden um Rat fragen könnte", dachte sie traurig. Ihr Blick fiel auf das Bild des seligen Gatten. „Kannst du mir nicht einen Tip geben, Liebster?"
Sie hielt einen langen, engen Taftrock in der Hand und betrachtete diesen unschlüssig, bevor sie erneut ihrem Seligen in die Augen schaute. Da! Oder täuschte sie sich? Ihr war, als würde ihr Gatte unmerklich lächeln. „Du meinst auch, im Zweifelsfalle dezentes Grau! Überlegt hatte ich das auch schon. Also gut, wenn du meinst", sagte sie laut. Sie erschrak. Ich werde doch nicht schon am hellichten Tage
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