Untitled
bleibt!"
„Mäßigen Sie sich", erwiderte der Geistliche ernst. Bisher hatte ihm dieses Versteckspiel Vergnügen bereitet, jetzt aber ging das Fräulein doch zu weit. „Es war ein ganz entzückender Nachmittag. Die Freundinnen meiner sehr geschätzten Nachba rin waren überaus reizend. Die Torte hat wie immer ausgezeichnet geschmeckt und die Lachsbrötchen – einfach delikat! Wünschen Sie noch mehr Details zu hören?" fragte Hochwürden die verdattert dreinblickende Schwester seines Mitverschworenen. „Ihr Bruder und ich haben uns in dieser liebevollen Atmosphäre ausgesprochen wohl gefühlt! Sollten Sie vorhaben, den beiden Schwierigkeiten irgendwelcher Art zu bereiten, so möchte ich Sie hiermit darauf hinweisen, daß Sie auch mich belasten müßten! Sie sehen, wohin Ihre Hirngespinste führen. Ich denke, damit dürfte die Angelegenheit erledigt sein", ergänzte er besänftigend.
Beschämt, doch beileibe nicht überzeugt, erhob sich das Fräulein und verabschiedete sich unwirsch von dem Geistlichen. „Ich komme schon noch dahinter, was sich zwischen euch tut", brummte sie böse und verließ das Pfarrhaus. Dabei rannte sie fast die ewig tranige Haushälterin um, die entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit aufgeregt den Gang zum Studierzimmer des Priesters entlanglief. In der Hand hielt sie einen länglichen, blaßlilafarbenen Briefumschlag. Unschlüssig nahm Hochwürden ihn von einer Hand in die andere. Er war an den „Ehrwürdigen Herrn Pfarrer" gerichtet. Als Absender prangte eine goldfarbene Grafenkrone. Der Umschlag strahlte etwas Unheimliches aus, und Hochwürden zögerte lange, das Siegel zu brechen. Doch letzten Endes siegte seine Neugierde.
„Die Familie derer von Grauenstein gibt sich die Ehre, Sie am Freitag, den ..., zu ihrem traditionellen Familientreffen einzuladen. Das diesjährige Fest findet auf unserem Stammsitz statt. Beginn 24.00 Uhr. Abendgarderobe erwünscht!"
Unverzüglich begab er sich zu Madame Vanille. Kaum daß er geklopft hatte, wurde auch schon die Tür aufgerissen.
„Hochwürden! Stellen Sie sich vor ..." Die Stimme der alten Dame überschlug sich fast vor Aufregung. In ihren zitternden Händen hielt sie einen lila Briefumschlag.
„Ich weiß, Teuerste! Auch ich habe diese merkwürdige Einladung erhalten."
„Kommen Sie! Wir wollen das drinnen besprechen. Es soll niemand etwas von unserer bevorstehenden Party erfahren!"
Kaum waren sie im Wohnzimmer angelangt, klopfte es schon wieder an der Haustür. Der Dritte im Bunde gesellte sich zu ihnen. Der Doktor strahlte und schwenkte auch diesen ominösen Briefumschlag hin und her. Er war der einzige, den keinerlei Bedenken zu plagen schienen.
„Sollen wir die Einladung wirklich annehmen?" fragte Madame ängstlich.
„Aber selbstredend, meine Liebe! So eine Geisterrunde darf man sich niemals entgehen lassen."
„Also ich sehe, Sie beharren darauf, meine Herren! Nun denn!" Die alte Dame nahm nochmals ihre Einladung zur Hand und studierte sie durch ein Lorgnon.
„Wetten, daß sie uns gleich fragt, was sie zu diesem ungewöhnlichen Anlaß tragen soll", flüsterte der Arzt dem Geistlichen zu. Beide lächelten verständnisinnig, als diese Frage auch prompt im Raum stand.
„Meine Liebe! Nehmen Sie es uns bitte nicht übel, wenn wir Sie bei diesen für Sie äußerst wichtigen Überlegungen alleine lassen. Für uns, dessen dürfen Sie sicher sein, sehen Sie immer bezaubernd aus. Allerdings ist auch uns klar, daß Sie nicht in der schönen Rüschenschürze zu erscheinen gedenken!" Der Arzt faselte Höflichkeiten, in der Hoffnung, sich so schnell wie möglich zu verabschieden. Der Geistliche schloß sich ihm an, indem er etwas von einem dringenden Taufgespräch murmelte.
„Könnte ich doch nur eine meiner Freundinnen um Rat fragen!" Madame war so ratlos.
Seufzend schloß sie hinter den Besuchern die Tür.
Der bedeutungsvolle Abend kam näher und näher. Hochwürden und seine Nachbarin wurden von Stunde zu Stunde nervöser. Der Geistliche hielt sich noch öfter bei Madame auf als sonst und sprach dem Rumtopf in einem Maße zu, wie es unter normalen Umständen niemals seiner Art entsprochen hätte. Die alte Dame mußte ihn mehrmals zur Ordnung rufen, denn ein be schwipster Priester wäre wohl für kein Dorf tragbar gewesen.
„Hochwürden! Wir müssen jetzt besonders vorsichtig sein. Niemand darf in letzter Minute hinter unser Geheimnis kommen. Alles wäre dann
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