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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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aufrechthielten; dann schrieb Mrs. Ransome eine ebenso farblose Karte zurück. Die Botschaft aus Kanada ging kaum über ein »Hallo. Wir sind noch da« hinaus, und ihre Antwort lautete: »Ja, wir auch.« Im allgemeinen bestand die Post jedoch aus Rechnungen und Geschäftsbriefen, und wenn sie sie unten in der Eingangshalle aus dem Fach holte, machte sich Mrs. Ransome kaum die Mühe, sie durchzusehen, und legte sie unbesehen auf den Flurtisch, wo sich Mr. Ransome vor dem Abendessen damit befaßte. An diesem besonderen Morgen hatte sie dieses Ritual gerade beendet, als ihr auffiel, daß der obere Brief aus Südamerika kam und daß er nicht an Mr. Ransome adressiert war, sondern an einen Mr. M. Hanson. Das war schon einmal passiert, und Mr. Ransome hatte den falsch zugestellten Brief mit einer Notiz, in der er den Hausmeister beziehungsweise den Briefträger für die Zukunft um mehr Sorgfalt bat, in das Hausmeisterfach gelegt.
     Da sie der Kleinlichkeitskrämerei ihres Mannes weniger tolerant gegenüberstand als früher, wollte Mrs. Ransome nicht, daß sich dieser Vorgang wiederholte; deshalb legte sie den Brief zur Seite, um nach dem Mittagessen in den achten Stock hinaufzusteigen, Mr. Hansons Tür ausfindig zu machen und ihn darunter hindurchzuschieben. Wenigstens wäre es ein Ausflug.
     Es war mehrere Jahre her, seit sie oben im Haus gewesen war. Es hatte einige Veränderungen gegeben, das wußte sie, da Mr. Ransome den Vermietern wegen des Lärms, den die Arbeiter machten, und wegen des Schmutzes im Aufzug einen Beschwerdebrief hatte schreiben müssen. Aber da die Mieter kamen und gingen, ließ immer irgend jemand etwas machen, und Mrs. Ransome fand allmählich, daß Renovierungen zum Leben gehörten. Als sie sich aus dem Aufzug wagte, war sie dennoch überrascht, wie luftig inzwischen alles war; es hätte ein modernes Gebäude sein können, so hell und lichtdurchflutet und geräumig war der Flur. Im Gegensatz zu ihrem dunklen und zerkratzten Mahagoni war die Holzverschalung hier abgebeizt und gebleicht worden; und während ihr Hausflur mit einem fleckigen und pockennarbigen orangefarbenen Bodenbelag bedeckt war, gab es hier einen dicken, rauchblauen Teppichboden, der an den Wänden hochgezogen war und jedes Geräusch dämpfte. Darüber befand sich ein achteckiges Oberlicht, unter dem ein dazu passendes achteckiges Sofa stand. Es sah weniger nach einem Flur in einem Wohnblock aus, eher nach einem Hotel oder einem von diesen neuen Krankenhäusern. Und nicht nur die Ausstattung hatte sich verändert. Mrs. Ransome erinnerte sich, daß da mehrere Wohnungen gewesen waren, doch jetzt schien es nur noch eine zu geben, von den anderen Türen war keine Spur geblieben. Sie hielt Ausschau nach einem Namen an dieser einen Tür, um sicherzugehen; doch es gab weder einen Namen noch einen Briefkasten. Sie bückte sich, um den Brief aus Südamerika darunter hindurchzuschieben, doch der Teppich war so dick, daß sie ihn nicht hindurchbekam. Über Mrs. Ransomes Kopf und von ihr unbemerkt bewegte sich eine Sicherheitskamera, die sie für eine Lampe gehalten hatte, wie ein schwerfälliges Reptil in einer Reihe von geräuschlosen Zuckungen hin und her, bis sie sie im Bild hatte. Sie versuchte gerade, den Teppich flachzudrücken, als sie ein schwaches Summen hörte, und die Tür geräuschlos aufschwang.
     »Kommen Sie herein«, sagte eine körperlose Stimme, und, den Brief hochhaltend wie eine Einladung, ging Mrs. Ransome hinein.
     Im Flur war niemand, und sie wartete unsicher und mit einem hilfsbereiten Lächeln, falls jemand sie beobachtete. Der Flur war genauso geschnitten wie ihrer, aber doppelt so groß und wie der Hausflur ausgestattet, mit dem gleichen hellen Holz und lasierten Wänden. Offensichtlich hatte man eine Wand durchgebrochen, dachte sie, die Wohnung nebenan dazugenommen, vielleicht auch alle anderen Wohnungen, so daß das ganze Obergeschoß jetzt eine Wohnung war.
     »Ich habe einen Brief für Sie«, sagte sie mit lauterer Stimme, als wenn jemand da gewesen wäre. »Er ist irrtümlicherweise bei uns angekommen.«
     Kein Laut war zu hören.
     »Ich glaube, er kommt aus Südamerika. Peru. Falls Ihr Name Hanson ist. Wie dem auch sei«, sagte sie verzweifelt, »ich lege ihn hierhin und gehe dann.«
     Sie wollte den Brief gerade auf einen Plexiglaswürfel legen, den sie für einen Tisch hielt, als sie hinter sich einen erschöpften Seufzer hörte. Als sie sich umdrehte, stellte sie fest, daß die Tür sich schloß.

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