Untitled
war. Manchmal jedoch, wenn sie so auf dem Bett lag oder morgens darauf wartete aufzustehen, wurde Mrs. Ransome deprimiert und hatte das Gefühl, den Bus verpaßt zu haben; doch die Frage, welchen Bus oder wohin er fuhr, hätte sie nur schwer beantworten können. Vor dem Besuch in Aylesbury und der Rückgabe ihrer Sachen war sie davon überzeugt gewesen, daß der Einbruch eine Chance für sie war, und jeder einzelne Tag hatte eine kleine Ernte an Abenteuern mit sich gebracht – einen Besuch von Dusty, einen Gang zu Mr. Anwar, eine Fahrt die Edgeware Road hinauf. Nun, da sie wieder von ihrem Besitz umgeben war, befürchtete Mrs. Ransome, daß es vorbei sei mit den Abwechslungen; das Leben war zur Normalität zurückgekehrt, doch zu einer Normalität, in der sie sich inzwischen nicht mehr wohl fühlte und mit der sie auch nicht mehr zufrieden war.
Besonders die Nachmittage waren langweilig und voller Bedauern. Es stimmte, sie sah weiterhin fern, doch sie war nicht mehr so überrascht wie früher, wozu die Leute alles fähig waren, sondern leise neidisch (wie auf Martin und Cleo). Sie gewöhnte sich so sehr an die Gesprächsformen des Fernsehens, daß ihr gelegentlich selbst ein verräterischer Satz herausrutschte, zum Beispiel, als sie einmal bemerkte, daß es auf dem 74er-Bus ein bißchen Streß gegeben habe.
»Ein bißchen Streß?« wiederholte Mr. Ransome. »Woher hast du denn diesen Ausdruck?«
»Warum?« fragte Mrs. Ransome unschuldig. »Ist er nicht in Ordnung?«
»Nicht in meinem Vokabular.«
Mrs. Ransome dachte, daß eigentlich jetzt die richtige Zeit für eine Beratung wäre; früher war es eine Option gewesen, nun wurde es eine Notwendigkeit, und deshalb versuchte sie, Dusty über die Nummer ihres Hilfetelefons zu erreichen.
»Es tut mir leid, doch Ms. Briscoe kann Ihren Anruf im Augenblick nicht entgegennehmen«, sagte eine Stimme vom Band, die sofort von einer realen Stimme unterbrochen wurde.
»Hallo. Hier spricht Mandy. Was kann ich für Sie tun?«
Mrs. Ransome erklärte, daß sie mit jemandem über die plötzliche Rückgabe all ihres gestohlenen Eigentums sprechen müsse. »Ich habe komplizierte Gefühle in dieser Sache«, sagte Mrs. Ransome und versuchte zu erklären.
Mandy hatte Zweifel. »Das könnte unter posttraumatisches Streß-Syndrom fallen«, sagte sie, »aber davon ausgehen würde ich nicht. Man macht uns Druck, seit wir uns dem Ende des Finanzjahrs nähern, und außerdem ist die Hilfe für Vergewaltigungen und Mord und ich-weiß-nicht-was-noch alles bestimmt; und dann kriegen wir Anrufe von Leuten, die einfach bei ihrem Zahnarzt eine schlechte Erfahrung gemacht haben. Sie haben nicht das Gefühl, die Möbel seien schmutzig, oder?«
»Nein«, sagte Mrs. Ransome. »Wir haben ohnehin alles reinigen lassen.«
»Nun, wenn Sie die Quittungen behalten haben, könnte ich in Bickerton Road anrufen und dafür sorgen, daß Sie etwas zurückbekommen.«
»Kümmern Sie sich nicht darum«, sagte Mrs. Ransome. »Ich nehme an, ich werde schon zurechtkommen.«
»Nun, das müssen wir am Ende alle, nicht wahr?« sagte Mandy.
»Wie bitte?« fragte Mrs. Ransome.
»Wir müssen zurechtkommen, meine Liebe. Schließlich sind das die Spielregeln. Und wie Sie es beschrieben haben«, sagte Mandy, »scheinen die Einbrecher doch sehr fürsorglich gewesen zu sein.«
Mandy hatte recht, aber diese Fürsorglichkeit war gerade das Problem. Wäre es ein ganz normaler Einbruch gewesen, wäre es leichter, darüber hinwegzukommen. Sogar an den umfassenden Abtransport all dessen, was sie auf der Welt besaßen, hätte Mrs. Ransome sich gewöhnen können, sie hätte ›positiv‹ darüber denken, den Gedanken sogar genießen können. Doch es war dieses gänzliche Verschwinden, gepaart mit dem akribischen Wiederaufbau und der Rückgabe, was an ihr nagte. Wer konnte den Wunsch haben, sie in diesem Ausmaß auszurauben, um sich, nachdem er sie ausgeraubt hatte, zu einer solch makellosen Wiedergutmachung zu entschließen? Mrs. Ransome kam es sogar so vor, als wäre sie zweimal hintereinander beraubt worden, zuerst ihrer ganzen Habe, dann der Chance, diesen Verlust zu überwinden. Es war weder fair noch ergab es einen Sinn; sie überlegte, ob man so etwas vielleicht meinte, wenn man davon sprach, ›den Faden zu verlieren‹.
Die Ransomes bekamen selten Briefe. Gelegentlich eine Karte aus Kanada, wo Verwandte von Mr. Ransome mütterlicherseits lebten, die pflichtschuldig die Verbindung
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