Untitled
offensichtlich Martin gehörten, und dunklere, gekräuseltere, die von Cleo stammen mußten. Das Vorkommen dieser Haare war nicht gerecht zwischen den Kleiderschränken von Mr. und Mrs. Ransome verteilt; da Mr. Ransome sich in der Tat nicht darüber beschwerte, ging sie davon aus, daß er niemals welche fand, denn sonst hätte er sie dies sicher wissen lassen.
Sie fand sie ihrerseits überall – zwischen ihren Kleidern, ihren Mänteln, ihrer Unterwäsche; seine Haare ebenso wie ihre, die kurzen ebenso wie die langen, so daß es ihr überlassen blieb, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, was sie wohl getrieben haben mochten, was die normalen Geschlechter- und Anstandsgrenzen überschritten hatte. Hatte Martin ihre Unterhosen auf dem Kopf getragen, fragte sie sich (in einer fanden sich drei Haare), und war das Elastikband an ihrem Büstenhalter immer so ausgeleiert gewesen wie jetzt (zwei Haare darin, eines blond, eines dunkel)?
Immerhin konnte sie eines Abends, als sie dem Kopfhörer tragenden Mr. Ransome gegenübersaß, voller Gleichmut, sogar mit einem kleinen Schauder darüber nachdenken, daß sie ihre Unterwäsche mit einem Dritten geteilt hatte. Vielleicht auch mit zwei Dritten. »Du meinst nicht Dritte«, würde Mr. Ransome sagen, doch das war nur ein Grund mehr, den Mund zu halten.
Es gab allerdings eine Erinnerung an die jüngste Vergangenheit, die sie gezwungenermaßen, wenn auch nur durch Zufall, miteinander teilten. Eines Samstags hatten sie zu Abend gegessen, und danach wollte Mr. Ransome eine LiveÜbertragung von Die Entführung aus dem Serail in Radio 3 aufnehmen. Mrs. Ransome hatte sich in der Überlegung, daß es am Samstagabend nie etwas Sehenswertes im Fernsehen gab, hingesetzt, um einen Roman über ein paar glanzlose Ehebrüche irgendwo in den Cotswolds zu lesen. Mr. Ransome bereitete sich derweil auf die Aufnahme vor. Er hatte die Kassette eingelegt, von der er glaubte, sie sei leer, doch als er sie überprüfte, stellte er erstaunt fest, daß schallendes Gelächter einsetzte. Mrs. Ransome blickte auf. Mr. Ransome hörte lange genug zu, um festzustellen, daß da zwei Leute lachten, ein Mann und eine Frau, und da es kein Anzeichen dafür gab, daß sie aufhören würden, wollte er gerade ausschalten, als Mrs. Ransome sagte: »Nein, Maurice. Laß es. Vielleicht ist die Aufnahme ein Schlüssel.«
Also lauschten sie schweigend, wie das Gelächter beinahe ohne Unterbrechung ungefähr drei oder vier Minuten weiterging, bis es allmählich nachließ und abbrach; und wer auch immer es war, der da lachte, war jetzt atemlos und keuchte. Diese Atemlosigkeit verschmolz allmählich mit einem anderen Geräusch, das von der anderen Person verursacht wurde, einem Stöhnen und dann einem Schrei, der zu einem rhythmischen Stoßen wurde, das sich ebenso unnachgiebig und entschlossen anhörte, wie das andere albern und leichtfertig geklungen hatte. An einem bestimmten Punkt wurde das Mikrophon näher herangerückt, um ein Geräusch einzufangen, das so naß und feucht klang, daß es kaum menschlich wirkte.
»Es hört sich an«, sagte Mrs. Ransome, »wie kochende Vanillesauce«, obwohl sie wußte, daß es das nicht war. Die Zubereitung von Vanillesauce geschah wohl selten mit so viel Anstrengung wie dies, noch wurde Vanillesauce mit zustimmenden Schreien angefeuert, noch schrien die Köche auf, wenn die Vanillesauce schließlich überkochte.
»Ich glaube nicht, daß wir uns das anhören wollen, oder?« sagte Mr. Ransome und schaltete um zu Radio 3, wo gerade das ehrerbietige Pssst! zu hören war, das dem Auftritt Claudio Abbados vorausging.
Als sie später im Bett lagen, sagte Mrs. Ransome: »Ich nehme an, wir sollten die Kassette besser zurückgeben, meinst du nicht?«
»Wozu?« sagte Mr. Ransome. »Die Kassette gehört mir. Außerdem können wir sie nicht zurückgeben. Sie ist gelöscht. Ich habe sie überspielt.«
Das war eine Lüge. Mr. Ransome hatte sie überspielen wollen, das stimmte, hatte dann aber das Gefühl gehabt, wann immer er die Musik hörte, würde er sich an das erinnern, was darunterlag, und damit würde jeder möglichen Erhabenheit ein Ende bereitet. Also hatte er die Kassette in den Küchenabfall geworfen. Dann, als Mrs. Ransome im Badezimmer war und sich die Zähne putzte, überlegte er es sich anders, ging wieder zurück und fischte sie zwischen den Kartoffelschalen und den alten Teebeuteln wieder heraus. Er zupfte ein Stückchen Tomatenschale davon ab und versteckte die
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