Untitled
den wahrlich grauenhaften Kaffee. »Vielleicht, weil ich wissen muß, warum ich in Miami ausgesucht worden bin. Ich weiß es nicht genau, aber ich bin hier.«
»Das hat Sie verrückt gemacht, nicht wahr? Die Entführung der Kinder.«
»Ja. Das hat mich verrückt gemacht. Sagen Sie mir noch einmal, was Nina gesehen hat. Erzählen Sie mir von dem Mann, der mit Gary Soneji hier war und im Auto saß.«
»Seit Nina klein war, liebt sie den Fensterplatz in unserem Treppenhaus«, fing Glory wieder mit der Geschichte an. »Das ist Ninas Fenster zur Welt, ist es immer gewesen. Sie rollt sich dort zusammen, liest ein Buch oder streichelt bloß eine ihrer Katzen. Manchmal schaut sie einfach ins Leere. Sie war auf dem Fensterplatz, als sie diesen Weißen gesehen hat, Gary Soneji. In unsere Gegend kommen nicht viel Weiße. Schwarze, manchmal ein paar Hispanics, Also stach er ihr ins Auge. Je länger sie hinschaute, desto seltsamer kam es ihr vor. Wie sie zu Ihnen gesagt hat. Er hat das Haus der Sanders' beobachtet. Als ob er das Haus ausspioniert oder so. Und der andere Mann, der im Auto, der hat ihn dabei beobachtet, wie er das Haus beobachtet hat.«
Bingo. Meinem müden, überlasteten Kopf gelang es irgendwie, den Schlüsselsatz in dem, was sie eben gesagt hatte, aufzuschnappen.
Glory Cerisier wollte weiterreden, aber ich hielt sie auf. »Sie haben eben gesagt, der Mann im Auto hat Gary Soneji beobachtet. Sie haben gesagt, er hat ihn beobachtet .«
»Das hab ich gesagt, nicht wahr? Ich hatte das ganz vergessen. Nina hat gesagt, die Männer waren zusammen. Wie ein Vertreterteam oder so. Sie wissen schon, wie die manchmal eine Straße ausspionieren. Aber vor einer Weile hat sie mir gesagt, der Mann im Auto hat den anderen beobachtet. Ich glaube, das hat sie gesagt. Ich bin mir fast sicher. Lassen Sie mich Nina holen. Ich bin mir nicht mehr ganz sicher.«
Bald saßen wir drei beisammen und redeten. Mrs. Cerisier half mir, Nina zum Sprechen zu bringen, und schließlich kooperierte Nina. Ja, sie war sich sicher, daß der Mann im Auto Gary Soneji beobachtet hatte. Der Mann war nicht gemeinsam mit Soneji dagewesen. Nina Cerisier erinnerte sich eindeutig daran, daß der Mann im Auto den anderen beobachtet hatte.
Sie wußte nicht, ob der Beobachter weiß oder schwarz gewesen war. Sie hatte es früher nicht erwähnt, weil es ihr nicht wichtig vorkam und die Polizei bloß noch mehr Fragen gestellt hätte. Wie die meisten Kinder im Südosten haßte Nina die Polizei und hatte Angst vor ihr.
Der Mann im Auto hatte Gary Soneji beobachtet .
Vielleicht hatte es gar keinen Komplizen gegeben, sondern jemanden, der Gary Soneji/Murphy beobachtete, während er potentielle Mordopfer ausforschte? Wer konnte das gewesen sein?
71. Kapitel
Mir wurde erlaubt, Soneji/Murphy zu besuchen, aber nur im Zusammenhang mit den Ermittlungen in den Mordfällen Sanders und Turner. Ich durfte wegen Verbrechen mit ihm sprechen, die vermutlich nie vor Gericht gebracht wurden, aber nicht über ein Verbrechen, das möglicherweise unaufgeklärt blieb. Soviel zur Bürokratie.
Ich hatte einen Freund in Fallston, wo Gary im Gefängnis saß. Ich kannte Wallace Hart, den psychiatrischen Leiter in Fallston, seit ich in die Polizei von D.C. eingetreten war. Wallace wartete in der Eingangshalle des alten Gebäudes auf mich.
»Soviel Aufmerksamkeit weiß ich zu schätzen«, sagte ich, als ich ihm die Hand gab. »Ist natürlich das erste Mal, daß mir so was widerfährt.«
»Jetzt bist du eine Berühmtheit, Alex. Ich hab dich im Fernsehen gesehen.«
Wallace ist ein kleiner schwarzer Gelehrtentyp, der eine Brille mit runden Gläsern und ausgebeulte blaue Geschäftsanzüge trägt. Manche Leute erinnert er an George Washington Carver, vielleicht gekreuzt mit Woody Allen. Er sieht aus, als wäre er schwarz und jüdisch.
»Was hältst du bis jetzt von Gary?« fragte ich Wallace, als wir mit dem Aufzug zum Hochsicherheitstrakt hinauffuhren. »Mustergültiger Sträfling?«
»Ich habe schon immer ein Faible für Psychopathen gehabt, Alex. Sie sind so scheißinteressant. Stell dir mal das Leben ohne die richtig bösen Typen vor. Stinklangweilig.«
»Du hältst also nichts von der Möglichkeit, daß er eine gespaltene Persönlichkeit sein könnte?«
»Ich halte es für eine Möglichkeit, aber für eine entlegene. Wie auch immer, der böse Junge in ihm ist wirklich böse. Es überrascht mich jedoch, daß er ins Messer gelaufen ist. Es überrascht mich, daß er gefaßt
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