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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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worden ist.«
    Ich sagte: »Willst du eine verrückte Theorie hören? Gary Murphy hat Soneji gefaßt. Gary Murphy wurde mit Soneji nicht fertig, also hat er ihn festnehmen lassen.«
    Wallace grinste mich an. Für ein so kleines Gesicht hatte er ein dickes, zähnebleckendes Lächeln. »Alex, ich mag deinen irren Verstand. Aber fällst du wirklich auf so etwas herein? Daß die eine Hälfte die andere festnehmen läßt?«
    »Nein. Ich wollte nur sehen, ob du darauf hereinfällst. Allmählich glaube ich, daß er durch und durch ein Psychopath ist. Ich muß bloß wissen, was für einer. Bei meinen früheren Besuchen habe ich eine eindeutige paranoide Persönlichkeitsstörung beobachtet.«
    »Dem stimme ich zu. Er ist mißtrauisch, herrisch, arrogant, getrieben. Wie gesagt, ich bin ganz vernarrt in den Kerl.«
    Dieses Mal war ich etwas schockiert, als ich Gary zu sehen bekam. Die Augen waren in den Schädel eingesunken. Die Augäpfel waren rotgerändert, als hätte er eine Bindehautentzündung. Die Haut spannte sich eng über dem Gesicht. Er hatte eine Menge Gewicht verloren, um die dreißig Pfund, und ursprünglich war er gut in Form, eher schlank gewesen.
    »Ich bin bloß ein bißchen deprimiert. Hallo, Herr Doktor.« Er schaute von der Pritsche auf. Er war wieder Gary Murphy. Jedenfalls wirkte er so.
    »Hallo, Gary«, sagte ich. »Ich hab's nicht geschafft, wegzubleiben.«
    »Sie haben mich lange nicht besucht. Sie müssen was von mir wollen. Lassen Sie mich raten – Sie schreiben ein Buch über mich. Wollen Sie Anne Rule Konkurrenz machen?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich wollte Sie schon lange besuchen. Ich mußte erst eine gerichtliche Erlaubnis einholen.
    Ich bin hier, um über die Morde an den Turners und Sanders' zu sprechen.«
    »Wirklich?« Er wirkte resigniert und verhielt sich gleichgültig und passiv. Mir gefiel nicht, wie er aussah. Mir ging durch den Kopf, seine Persönlichkeit könne im Begriff sein, sich ganz aufzulösen.
    »Offen gesagt, ich darf mit Ihnen nur über die Fälle Sanders und Turner sprechen. Das ist die Auflage. Aber wenn Sie wollen, können wir über Vivian Kim reden.«
    »Dann haben wir nicht viel Gesprächsstoff. Über diese Morde weiß ich gar nichts. Ich habe nicht einmal die Zeitungsberichte darüber gelesen. Ich schwöre es beim Leben meiner Tochter. Vielleicht weiß es unser Freund Soneji. Ich weiß nichts, Alex.« Inzwischen schien ihm wohl dabei zu sein, daß er mich Alex nannte. Schön zu wissen, daß man überall Freunde finden kann.
    »Ihr Anwalt muß Ihnen doch die Mordfälle erklärt haben. Es könnte dieses Jahr zu weiteren Prozessen kommen.«
    »Ich will mit Anwälten nichts mehr zu tun haben. Diese Fälle gehen mich nichts an. Außerdem kommen sie bestimmt nicht vor Gericht. Zu teuer.«
    »Gary.« Ich sprach mit ihm, als wäre er ein Patient. »Ich möchte Sie gern wieder hypnotisieren. Unterschreiben Sie, wenn ich den ganzen Papierkram durchkriege? Es ist wichtig für mich, mit Soneji zu sprechen. Lassen Sie mich versuchen, mit ihm zu sprechen.«
    Gary Murphy lächelte und schüttelte den Kopf. Schließlich nickte er. »Ehrlich gesagt, ich möchte auch mit ihm sprechen«, sagte er. »Wenn ich könnte, würde ich ihn umbringen. Ich würde Soneji umbringen. Wie die anderen Menschen, die ich angeblich umgebracht habe.«
     
    An jenem Abend besuchte ich den ehemaligen SecretService-Agenten Mike Devine. Devine war einer der beiden Agenten, die Minister Goldberg und seine Familie bewacht hatten. Ich wollte ihn wegen der Komplizentheorie befragen.
    Mike Devine war etwa einen Monat nach der Entführung freiwillig in Pension gegangen. Weil er erst Mitte Vierzig war, nahm ich an, man habe ihm das nahegelegt. Wir sprachen ein paar Stunden auf seiner Terrasse mit Blick auf den Potomac.
    Es war eine geschmackvolle, gut eingerichtete Wohnung für einen alleinstehenden Mann. Devine war braun und sah ausgeruht aus. Er war eine relativ überzeugende Werbung dafür, sobald wie möglich aus der Polizeiarbeit auszusteigen.
    Er erinnerte mich ein bißchen an Travis McGee in den Romanen von John MacDonald. Er war gut gebaut, mit einer Menge Charakter in den Zügen. Er würde im Frührentnerland gut zurechtkommen, dachte ich: das gute Aussehen eines Filmhelden, braune Locken, ein angenehmes Lächeln, jede Menge Geschichten auf Lager.
    »Mein Partner und ich sind hinausgeworfen worden, wissen Sie«, gestand Devine beim zweiten Corona-Bier. »Ein Patzer, der sich zum Dritten Weltkrieg

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