Untitled
Dann tu' ich so, als hätte ich den Hörer nicht abgenommen. So tun als ob, das ist ein Spielchen, das ich hier draußen in der angemalten Wüste ganz gut gelernt habe.«
»Hören Sie, ich könnte Sie vorladen lassen. Sie wissen, daß ich das kann. Wir könnten dieses Gespräch in Washington führen. Oder ich fliege nach Tempe und besuche Sie zu Hause. Komm abends mal auf ein Barbecue vorbei.«
»Hey, was, zum Teufel, ist mit Ihnen los? Was hat Sie gebissen, Cross? Der gottverfluchte Fall ist vorbei. Lassen Sie ihn in Ruhe, und lassen Sie mich in Ruhe.«
In Chakelys Ton schwang etwas ganz Merkwürdiges mit. Er klang, als werde er gleich explodieren.
»Ich habe heute abend mit Ihrem Partner gesprochen«, sagte ich. Das sorgte dafür, daß er in der Leitung blieb.
»So. Sie haben mit Mickey Devine gesprochen. Ich spreche hin und wieder auch mit ihm.«
»Freut mich für Sie beide. Ich laß Sie auch gleich in Ruhe. Beantworten Sie mir nur ein paar Fragen.«
»Eine Frage. Das reicht«, sagte Chakely schließlich.
»Erinnern Sie sich daran, eine dunkle neue Limousine gesehen zu haben, die in der Sorrell Avenue parkte? Oder in der Nähe des Hauses der Goldbergs oder der Dunnes? Vielleicht etwa eine Woche vor dem Kidnapping?«
»Teufel, nein – Herrgott, nein! Alles Ungewöhnliche hätte in unserem Bericht gestanden. Der Entführungsfall ist abgeschlossen. Ich bin fertig damit. Und mit Ihnen, Detective Cross.«
Er legte einfach auf.
Der Ton des Gesprächs war zu seltsam gewesen. Der ungeklärte Aspekt mit dem »Beobachter« brachte mich zum Wahnsinn. Das war ein dicker loser Faden. Zu wichtig, als daß ein Kriminalist ihn hätte ignorieren können. Ich mußte mit Jezzie über Mike Devine, Charlie Chakely und deren Berichte sprechen. Irgend etwas stimmte nicht mit den beiden. Sie hielten eindeutig etwas zurück.
72. Kapitel
Jezzie und ich verbrachten den Tag in ihrem Cottage am See. Sie mußte reden. Sie mußte mir sagen, wie sie sich verändert, was sie während ihrer schöpferischen Pause über sich herausgefunden hatte. Dort, mitten im Nirgendwo, North Carolina, taten sich zwei sehr, sehr seltsame Dinge.
Wir verließen Washington um fünf Uhr morgens und kamen kurz vor halb neun zum See. Es war der dritte Dezember, aber es hätte der erste Oktober sein können. Die Temperatur lag den ganzen Nachmittag um die zwanzig Grad, und von den Bergen wehte eine milde Brise. Das Zirpen und Zwitschern von Dutzenden verschiedener Vögel füllte die Luft.
Die Sommergäste waren fort, wir hatten den See also für uns. Ein einziges Schnellboot kurvte etwa eine Stunde lang auf dem See herum. Der starke Motor klang wie der eines Rennwagens. Sonst waren nur wir zwei da.
Wir waren uns beide einig, nicht zu schnell über schwierige Themen zu sprechen. Nicht über Jezzie, Devine und Chakely oder meine neuesten Theorien über die Entführung.
Am späten Nachmittag machten Jezzie und ich eine lange Wanderung in den Kiefernwäldern. Wir folgten einem kristallklaren Bach, der von den Bergen herunterströmte. Jezzie trug kein Make-up, ihr Haar war offen und ungebändigt. Sie hatte abgeschnittene Jeans an und ein Sweatshirt der University of Virginia, dem die Ärmel fehlten. Ihre Augen waren wunderschön blau und machten der Farbe des Himmels Konkurrenz.
»Ich habe dir gesagt, daß ich hier eine Menge über mich herausgefunden habe, Alex«, sagte Jezzie, während wir immer tiefer in den Wald hineinwanderten. Sie sprach leise. Sie wirkte fast kindlich. Ich hörte aufmerksam zu. Ich wollte alles über >
Jezzie wissen.
»Ich will mit dir über mich reden. Ich bin jetzt bereit zum Reden«, sagte sie. »Ich muß dir sagen, wie, warum und alles andere.«
Ich nickte und ließ sie weiterreden.
»Mein Vater … mein Vater war ein Versager. In seinen Augen. Er war clever. Er kam gesellschaftlich wunderbar zurecht – wenn er wollte. Aber er kam aus den Slums, und das war ein schwerer Komplex für ihn. Durch seine negative Einstellung bekam mein Vater ständig Schwierigkeiten. Es war ihm gleich, wie sich das auf meine Mutter und mich auswirkte. In den Vierzigern und Fünfzigern war er zum starken Trinker geworden. Am Ende seines Lebens hatte er keinen einzigen Freund. Im Grunde auch keine Familie. Ich glaube, er hat sich deswegen umgebracht … Mein Vater hat sich umgebracht, Alex. In seinem Polizeiauto. Es war kein Herzinfarkt auf der Union Station. Das ist eine Lüge, die ich seit meiner Collegezeit erzähle.«
Wir gingen beide
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