Untitled
Sie sagte, es sei Wallace Hart, der aus dem Gefängnis Falls ton anrief.
»Alex, tut mir leid, dich zu Hause zu stören«, sagte Wallace. »Könntest du schnell kommen? Vielleicht ist es wichtig.«
Ich versuchte, mich aus der Jacke zu schälen. Ich hielt inne – ein Arm drin, einer draußen. Die Kinder halfen mir. Gewissermaßen; sie versuchten mir zu helfen und versuchten gleichzeitig mir den Rücken zu verrenken.
»Um was geht's denn, Wallace? Ich habe heute abend alle Hände voll zu tun.« Ich streckte Damon und Jannie die Zunge heraus. »Paar kleine Probleme im Haus. Aber nichts, womit ich nicht fertig werden könnte.«
»Er verlangt nach dir. Er will mit dir sprechen, und nur mit dir. Sagt, es ist sehr wichtig.«
»Hat es nicht bis morgen Zeit?« fragte ich Wallace. Ich hatte schon einen langen Tag hinter mir. Außerdem konnte ich mir nicht vorstellen, daß mir Gary Murphy etwas Neues zu sagen hatte.
»Er ist Soneji«, sagte Wallace Hart am Telefon. »Soneji will jetzt mit dir sprechen.«
Ich war sprachlos. Dann brachte ich heraus: »Bin schon unterwegs, Wallace.«
Ich schaffte es in weniger als einer Stunde nach Fallston. Gary war im obersten Stockwerk des Gefängnisses untergebracht. Wichtige Patienten wie Squeaky Fromme und John Hinckley waren dort inhaftiert gewesen. Es war der Prominententrakt, genau wie Gary das gewollt hatte.
Als ich zu seiner Zelle kam, lag Gary mit dem Gesicht nach oben auf einer schmalen Pritsche ohne Laken und Decke. Ein Wärter beobachtete ihn ständig. Er war ein »Sonderfall«, wie die Einzelbewachung genannt wird.
Wallace Hart sagte: »Ich habe daran gedacht, ihn über Nacht in einen ruhigen Raum zu verlegen. Ihn eine Weile als Sonderfall zu behandeln und in Einzelhaft zu stecken. Bis wir wissen, was mit ihm los ist. Er hat abgehoben, Alex.«
»Einmal wird er dabei abstürzen«, sagte ich, und Wallace nickte zustimmend.
Ich betrat Garys Zelle und setzte mich ungebeten. Ich war es leid, ständig um Erlaubnis fragen zu müssen. Garys Blick klebte an der Decke. Die Augen wirkten, als wären sie in den Schädel zurückgetreten. Ich war mir sicher, er wußte, daß ich da >
war. Hier ist Alex!
»Willkommen in meiner Psichuschka , Doktor«, sagte er schließlich in unheimlicher, rauher Monotonie. »Wissen Sie, was eine Psichuschka ist?« Es war wirklich Soneji.
»Ein Gefängniskrankenhaus in Rußland. Da kamen die politischen Häftlinge in der Sowjetunion hin«, sagte ich.
»Genau. Sehr gut.« Er sah zu mir herüber. »Ich möchte einen neuen Handel mit Ihnen machen. Reinen Tisch.«
»Mir war nicht bewußt, daß wir einen Handel hatten«, sagte ich zu ihm.
»Ich will hier keine Zeit mehr vergeuden. Ich kann nicht länger Murphy spielen. Würden Sie nicht lieber herausfinden, wie Soneji tickt? Klar möchten Sie das, Dr. Cross. Sie könnten auch berühmt werden. Sie könnten in jedem Kreis, in den Sie aufgenommen werden wollen, eine wichtige Rolle spielen.«
Ich glaubte nicht, daß das ein Schub sein könne, eine seiner Fluchtphasen. Dazu wirkte das, was er sagte, zu beherrscht.
War er die ganze Zeit Gary Soneji gewesen? Der »böse Junge«? Seit wir uns zum ersten Mal begegnet waren? Das war meine Diagnose gewesen. Ich blieb bei ihr.
»Können Sie mir soweit folgen?« fragte er von der Pritsche aus. Er streckte lässig die langen Beine und wackelte mit den bloßen Zehen.
»Sie wollen mir jetzt sagen, daß Ihnen alles, was Sie getan haben, vollkommen bewußt war. Daß sie nie eine gespaltene Persönlichkeit waren. Keine Schübe. Sie haben beide Rollen gespielt. Jetzt haben Sie es satt, Gary Murphy zu spielen.«
Sonejis Blick war konzentriert und sehr intensiv. Kälter und durchdringender als sonst. Bei schwerer Schizophrenie wird das Phantasieleben manchmal wichtiger als das wirkliche.
»Stimmt. Gut geraten, Alex. Sie sind soviel schlauer als die >
anderen. Ich bin stolz auf Sie. Sie sind derjenige, der dafür sorgt, daß die Sache interessant für mich bleibt. Der einzige, der meine Aufmerksamkeit über längere Zeit fesselt.«
»Und was wollen Sie von uns?« Ich versuchte, ihn beim Thema zu halten. »Was kann ich tun, Gary?«
»Ich brauche ein paar Kleinigkeiten. Aber vor allem möchte ich einfach ich selbst sein. Sozusagen. Ich möchte für alles, was ich geleistet habe, anerkannt werden.«
»Und was bekommen wir von Ihnen?«
Soneji lächelte mich an. »Ich sage Ihnen, was passiert ist. Von Anfang an. Ich helfe Ihnen dabei, Ihren kostbaren Fall
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