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Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
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schweigend weiter. Jezzie hatte erst zweimal von ihren Eltern gesprochen. Ich hatte über ihr Alkoholproblem Bescheid gewußt, aber ich hatte Jezzie nicht drängen wollen – vor allem deshalb, weil ich nicht Jezzies Arzt sein konnte. Ich hatte gedacht, wenn sie soweit war, würde sie darüber sprechen.
    »Ich wollte kein Versager sein wie meine Eltern. So sahen sie sich selbst, Alex. So haben sie dauernd geredet. Keine niedrige Selbstachtung – überhaupt keine Selbstachtung. Ich konnte nicht zulassen, daß ich so wurde.«
    »Wie siehst du deine Eltern?«
    »Als Versager, nehme ich an.« Ein winziges Lächeln begleitete das Eingeständnis. Ein schmerzhaft ehrliches Lächeln.
    »Sie waren beide so unglaublich clever, Alex. Sie wußten alles über alles. Sie hatten jedes Buch im Universum gelesen. Sie konnten über jedes Thema reden. Bist du je in Irland gewesen?«
    »Ich war einmal in England, auf Dienstreise. Das erste und einzige Mal, daß ich in Europa war. Hatte nie Geld dafür.«
    »In Irland gibt es Dörfer – da sind die Leute so wortgewandt, aber sie sind so arm. Das sind die ›weißen Gettos‹. Jedes dritte Haus scheint ein Pub zu sein. In diesem Land gibt es so viele gebildete Versager. Ich wollte kein weiterer cleverer Versager sein. Ich habe dir von dieser Angst erzählt. Das wäre für mich die Hölle auf Erden gewesen … Ich habe mich in der Schule hart unter Druck gesetzt. Ich mußte die Nummer eins sein, um jeden Preis. Dann beim Secret Service. Ich bin aufgestiegen, weit aufgestiegen, Alex, aus was für Gründen auch immer. Ich wurde glücklich mit meiner Karriere, mit meinem Leben im allgemeinen.«
    »Aber das löste sich nach der Goldberg-Dunne-Entführung auf. Du warst der Sündenbock. Du warst nicht mehr der strahlende Star.«
    »Ich war erledigt, einfach so. Agenten redeten hinter meinem Rücken über mich. Schließlich gab ich auf, verließ den Service. Ich hatte keine andere Wahl. Es war totaler Quatsch und ungerecht. Ich kam hierher, um herauszukriegen, wer zum Teufel ich bin. Ich mußte es ganz allein machen.« Jezzie streckte die Arme aus und legte sie um mich, mitten im Wald. Sie fing leise zu schluchzen an. Ich hatte sie noch nie weinen sehen. Ich hielt Jezzie fest in den Armen. Ich hatte mich ihr noch nie so nahe gefühlt. Ich wußte, daß sie mir harte Wahrheiten sagte. Ich war ihr ebenfalls harte Wahrheiten schuldig.
    Wir standen in einer abgeschiedenen Mulde und sprachen leise, als ich merkte, daß uns jemand beobachtete. Ich hielt den Kopf stocksteif, wandte aber den Blick nach rechts. Noch je
    mand war im Wald.
    Jemand beobachtete uns.
    Noch ein Beobachter .
    »Jemand ist da oben, Jezzie. Auf dem Hügel rechts von uns«, flüsterte ich ihr zu. Sie schaute nicht hin. Sie war immer noch ein Cop.
    »Bist du sicher, Alex?« fragte sie.
    »Ich bin sicher. Verlaß dich auf mich. Trennen wir uns«, sagte ich. »Wenn der da oben abhaut, fangen wir ihn ein.«
    Wir gingen auseinander und flankierten den Hügel, auf dem ich den Beobachter gesehen hatte. Das mußte ihn verwirren.
    Er lief weg!
    Der Beobachter war tatsächlich ein Mann. Er trug Turnschuhe und einen dunklen Jogginganzug mit Kapuze, der mit dem Wald verschmolz. Ich konnte seine Größe und seinen Körperbau nicht abschätzen.
    Jezzie und ich rannten gute vierhundert Meter hinter ihm her. Wir waren beide barfuß, deshalb kamen wir dem Beobachter nicht näher. Vermutlich verloren wir beim Sprinten ein paar Meter. Zweige und Dornen rissen an unseren Gesichtern und Armen. Schließlich stürmten wir aus dem Kiefernwald heraus und kamen auf eine geteerte Landstraße. Wir hörten gerade noch, wie ein Auto in einer nahen Kurve beschleunigte. Wir bekamen das Auto nicht zu sehen, konnten nicht einmal einen Blick auf das Nummernschild erhaschen.
    »Gottverflucht noch mal, das ist ja unheimlich!« sagte Jezzie, als wir am Straßenrand standen und um Atem rangen. Schweiß lief uns über das Gesicht, und unsere Herzen hämmerten synchron.
    »Wer weiß, daß du hier bist? Irgend jemand?« fragte ich.
    »Niemand. Deshalb ist es ja so unheimlich. Wer, zum Teufel, war das? Das ist zum Fürchten, Alex. Fällt dir etwas ein?«
    Ich hatte mindestens ein Dutzend Theorien über den Beobachter aufgeschrieben, den Nina Cerisier gesehen hatte.
    Meine hoffnungsvollste Theorie war die einfachste. Die Polizei hatte Gary Soneji beobachtet. Aber welche Polizei? Konnten es Kollegen von mir gewesen sein? Oder von Jezzie?
    Es war wirklich zum Fürchten.
    Wir

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