Untitled
Bolivien. Wir hatten Grund zu hoffen und zu glauben, Maggie Rose Dunne endlich gefunden zu haben.
Jezzie hatte geredet und geredet. Jezzie hatte einen Handel gegen Information gemacht. Sie hatte sich jedoch geweigert, mit dem FBI zu sprechen. Sie hatte den Handel mit mir gemacht.
Uyuni liegt in den Anden, dreihundertfünf Kilometer südlich von Oruro. Man kommt dorthin, indem man mit einem kleinen Flugzeug in Rio Mulatos landet und dann per Jeep oder Kleinbus nach Uyuni fährt.
Auf der letzten Etappe der schwierigen Reise saßen wir zu acht in einem Ford Explorer. Ich war mit Sampson, zwei Agenten vom Secret Service, dem amerikanischen Botschafter in Bolivien, unserem Fahrer und Thomas und Katherine Rose Dunne in dem Kleinbus.
Charles Chakely und Jezzie waren beide in den letzten, zermürbenden sechsunddreißig Stunden bereit gewesen, auf einen Informationshandel über Maggie Rose einzugehen. Die verstümmelte Leiche von Mike Devine war in seiner Wohnung in Washington gefunden worden. Die Fahndung nach Gary Soneji wurde nach dem Fund der Leiche verstärkt. Aber bis jetzt war nichts dabei herausgekommen.
Gary schaute sich bestimmt den Bericht über unsere Reise nach Bolivien im Fernsehen an. Gary schaute seine Story an.
Chakely und Jezzie erzählten im großen und ganzen dieselbe Geschichte über die Entführung. Sie hatten die Gelegenheit gehabt, die zehn Millionen Dollar Lösegeld zu kassieren und ungeschoren davonzukommen. Sie konnten das Mädchen nicht freilassen. Sie mußten uns im Glauben lassen, Soneji/Murphy sei der Kidnapper gewesen. Das Mädchen konnte das bestreiten. Sie waren jedoch davor zurückgeschreckt, Maggie Rose umzubringen. Jedenfalls hatten sie das in Washington gesagt.
Sampson und ich schwiegen auf den letzten Kilometern der Fahrt durch die Anden. Alle anderen schwiegen auch.
Ich beobachtete die Dunnes, als wir uns Uyuni näherten. Sie saßen ruhig nebeneinander, etwas distanziert. Wie Katherine Rose mir gesagt hatte, wäre am Verlust von Maggie Rose fast ihre Ehe zerbrochen. Ich erinnerte mich daran, wie sehr ich die beiden am Anfang gemocht hatte. Katherine Rose mochte ich immer noch. Wir hatten auf der Reise eine Weile miteinander gesprochen. Sie hatte mir mit echtem Gefühl gedankt, und ich würde das nie vergessen.
Ich hoffte, daß am Ende dieser langen, grauenhaften Qual ihr kleines Mädchen in Sicherheit auf sie wartete … Ich dachte an Maggie Rose Dunne – ein kleines Mädchen, dem ich nie begegnet war und das ich bald kennenlernen sollte. Ich dachte an alle die Gebete, die für sie gesprochen worden waren, an die Transparente vor dem Gericht in D.C. an die Kerzen, die in so vielen Fenstern brannten.
Sampson stieß mich an, als wir durch das Dorf fuhren. »Schau dort hinauf, Alex. Ich will nicht behaupten, das sei alles wert gewesen. Aber vielleicht kommt's dem nahe.«
Der Kleinbus fuhr einen steilen Abhang im Dorf Uyuni hinauf. Blech- und Holzhütten säumten beide Seiten des Wegs, der ursprünglich ein in die Felsen gehauener Durchgang gewesen war. Aus etlichen Blechdächern stieg Rauch. Der schmale Weg schien direkt hinauf in die Anden zu führen.
Auf halber Höhe wartete Maggie Rose auf uns.
Das elfjährige Mädchen stand vor einer der fast identischen Hütten. Bei ihr waren die Mitglieder einer Familie namens Patino. Sie war seit fast zwei Jahren bei dieser Familie. Es sah so aus, als hätte die Familie ein Dutzend Kinder.
Aus hundert Meter Entfernung konnten wir alle Maggie Rose deutlich sehen, während der Bus mühsam den zerfurchten Weg hinauffuhr.
Maggie Rose trug wie die Kinder der Patinos ein weites Hemd, Baumwollshorts und Sandalen, aber das blonde Haar hob sie heraus. Sie war braun; sie wirkte gesund. Sie sah genauso aus wie ihre schöne Mutter.
Die Patinos hatten keine Ahnung, wer sie wirklich war. In Uyuni hatten die Leute noch nie etwas von Maggie Rose Dunne gehört. Auch nicht im nahen Pulacayo oder im achtzehn Kilometer entfernten Ubini in den hohen, gewaltigen Anden. Das wußten wir von den bolivianischen Behörden und von der Polizei.
Die Patinos hatten Geld dafür bekommen, das Mädchen im Dorf festzuhalten, in Sicherheit, aber sie dort festhalten. Mike Devine hatte zu Maggie gesagt, sie könne nirgendshin fliehen. Falls sie es versuche, werde sie gefaßt und gefoltert. Sie werde eine lange, lange Zeit unter dem Boden verbringen.
Ich konnte jetzt den Blick nicht von ihr wenden. Von diesem kleinen Mädchen, das vielen Menschen so viel bedeutete. Ich
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