Untitled
sie. »Weißt du, was wirklich schön ist? Bei jemandem zu sein, der versteht, was man hinter sich hat. Mein Mann hatte nie Verständnis für unseren Beruf.«
»Hab' ich auch nicht. Ehrlich gesagt, ich verstehe von Tag zu Tag weniger davon«, witzelte ich. Aber zum Teil sagte ich die Wahrheit.
Ich hielt Jezzie viel länger fest als ein paar Augenblicke. Sie war von einer aufregenden, alterslosen Schönheit. Ich schaute sie gern an.
»Das ist so sonderbar, Alex. Schön, aber sonderbar«, sagte sie. »Ist das alles ein Traum?«
»Kann kein Traum sein. Mein zweiter Vorname lautet Jesaja. Das hast du nicht gewußt.«
Jezzie schüttelte den Kopf. »Ich hab' gewußt, daß du mit dem zweiten Vornamen Jesaja heißt. Ich habe es in einer FBIAkte gelesen. Alexander Jesaja Cross.«
»Jetzt verstehe ich, warum du es nach oben geschafft hast«, sagte ich. »Was weißt du denn sonst noch über mich?«
»Alles zu seiner Zeit«, sagte Jezzie. Sie legte mir einen Finger auf die Lippen.
Das Cheshire Inn war ein malerischer Landgasthof, etwa fünfzehn Kilometer nördlich von Wilkinsburg. Jezzie hatte uns hier ein Zimmer besorgt. Bis jetzt hatte uns noch niemand zusammen in dem Gasthof gesehen, was uns beiden recht war.
Unser Zimmer lag in einem weiß getünchten Kutscherhaus, separat vom Hauptgebäude. Es war voller echt aussehender Antiquitäten, darunter ein Webstuhl und mehrere Steppdecken.
Ein Kamin war da, und wir machten darin ein Holzfeuer. Jezzie bestellte beim Zimmerservice Champagner.
»Feiern wir. Stellen wir die Stadt auf den Kopf«, sagte sie, als sie den Hörer auflegte. »Wir haben etwas Besonderes verdient. Wir haben den Bösen geschnappt.«
Das Gasthaus, das Eckzimmer, alles war vollkommen. Ein Erkerfenster ging auf einen schneebedeckten See hinaus, auf einen mit Eis überzogenen See. Hinter dem See drohte eine steile Felswand.
Wir tranken vor dem flackernden Feuer Champagner. Ich hatte mir Sorgen über die Nachwirkungen unserer Nacht in Wilmington gemacht, aber es gab keine. Wir unterhielten uns unbefangen, und wenn es still wurde, war das auch in Ordnung.
Wir bestellten ein spätes Abendessen.
Dem Kellner vom Zimmerservice war eindeutig unbehaglich zumute, als er unsere Essentabletts vor dem Feuer abstellte. Er brachte die Wärmplatte nicht in Gang; er hätte fast ein Tablett fallenlassen. Vermutlich hatte er noch nie ein lebendes, atmendes Tabu gesehen.
»Es ist okay«, sagte Jezzie zu dem Mann. »Wir sind beide Cops, und das hier ist vollkommen legal, das kann ich Ihnen versichern.«
Wir redeten anderthalb Stunden lang miteinander. Es erinnerte mich an meine Kindheit, wenn ein Freund über Nacht geblieben war. Wir gingen beide ein bißchen aus uns heraus, dann viel mehr. Zwischen uns herrschte nicht viel Befangenheit. Jezzie brachte mich dazu, von Damon und Jannie zu erzählen, und wollte nicht, daß ich damit aufhörte.
Das Abendessen war Roastbeef mit irgendwas, das sich als Yorkshirepudding ausgab. Es spielte keine Rolle. Als Jezzie den letzten Bissen gegessen hatte, lachte sie. Wir lachten beide viel. »Warum habe ich das alles aufgegessen? Ich mag nicht mal guten Yorkshirepudding. Gott im Himmel, wir haben zur Abwechslung mal Spaß!«
»Was machen wir jetzt?« fragte ich sie. »Im Sinne von Feiern und Spaß.«
»Weiß nicht. Worauf hast du Lust? Ich wette, sie haben im Hauptgebäude wirklich hübsche Brettspiele. Ich gehöre zu den hundert lebenden Menschen, die wissen, wie man Parcheesi spielt.«
Jezzie legte den Kopf schief und schaute aus dem Fenster. »Oder wir könnten am See Spazierengehen. ›Winter Wonderland‹ singen.«
»Ja. Wir könnten eislaufen. Ich bin Schlittschuhläufer. Auf Schlittschuhen bin ich ein Genie. Hat das in meiner FBI-Akte gestanden?«
Jezzie grinste und schlug sich aufs Knie. »Das möchte ich gern sehen. Ich würde eine Menge Geld dafür zahlen, dich eislaufen zu sehen.«
»Hab' leider die Schlittschuhe vergessen.«
»Na ja. Was sonst? Ich meine, ich mag dich zu sehr, ich achte dich zu sehr, als daß ich dich in dem Glauben lassen möchte, ich interessierte mich nur für deinen Körper.«
»Mit schonungsloser Offenheit gesagt, ich interessiere mich ein bißchen für deinen Körper«, sagte ich. Wir küßten uns, und es war immer noch ein gutes Gefühl für mich. Das Feuer knisterte. Der Champagner war eiskalt. Feuer und Eis. Yin und Yang. Gegensätze ziehen sich an. Ein Lauffeuer in der Wildnis.
Wir gingen erst um sieben am nächsten Morgen schlafen.
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