Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Untitled

Untitled

Titel: Untitled Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unknown Author
Vom Netzwerk:
Psyche damals gespalten, um sich gegen Schmerz und Angst zu wehren. Ich will damit nicht sagen, daß er eine gespaltene Persönlichkeit ist, aber es ist möglich. Er hatte die Art von Kindheit, die zu einer solchen seltenen Psychose führen kann.«
    Dr. Campbell übernahm. »Dr. Cross und ich haben über die Möglichkeit gesprochen, daß Soneji/Murphy Schübe hat. Psychotische Schübe, die Amnesie und Hysterie mit sich bringen. Er redet über ›verlorene Tage‹, ›verlorene Wochenenden‹, sogar ›verlorene Wochen‹. Während eines solchen Schubs kann ein Patient an einem fremden Ort aufwachen, ohne eine Ahnung zu haben, wie er dorthin gekommen ist oder was er innerhalb einer bestimmten Phase getan hat. In manchen Fällen haben die Patienten zwei verschiedene Persönlichkeiten, häufig widersprüchliche Persönlichkeiten. Bei Epilepsie kann das ebenfalls auftreten.«
    »Was seid ihr denn eigentlich, ein Rettungsteam?« murrte Walsh. »Epilepsie. Jetzt machen Sie mal halblang, Marion. Je mehr Sie Ihre Zeit mit diesem Unsinn vergeuden, desto bessere Chancen hat er, vor Gericht davonzukommen.«
    »Ich vergeude meine Zeit nicht mit Unsinn«, sagte ich zu Walsh. »Nicht mein Stil.«
    Der Staatsanwalt ergriff das Wort, wollte zwischen Walsh und mir vermitteln. James Dowd war ein ernster Mann Ende Dreißig oder Anfang Vierzig. Falls Dowd den Fall Soneji/Murphy bekam, würde er bald ein berühmter Anwalt sein.
    »Wäre es denn nicht möglich, daß er den offenbar psychotischen Zustand für uns erfunden hat?« fragte Dowd. »Daß er ein Psychopath ist, weiter nichts?«
    Ich schaute mich am Tisch um, ehe ich seine Fragen beantwortete. Dowd wollte eindeutig unsere Antworten hören; er wollte die Wahrheit erfahren. Der Vertreter des Gouverneurs wirkte skeptisch und nicht überzeugt, aber aufgeschlossen. Die Anwälte vom Justizministerium waren bis jetzt neutral. Dr. Walsh hatte von mir und Campbell schon genug gehört.
    »Das ist durchaus möglich«, sagte ich. »Das ist einer der Gründe, warum ich es mit Hypnose versuchen will. Dann finden wir zum Beispiel heraus, ob seine Geschichten übereinstimmen.«
    »Falls er für Hypnose empfänglich ist«, warf Walsh ein. »Und falls Sie merken, ob er überhaupt unter Hypnose stand.«
    »Ich vermute, daß er empfänglich ist«, antwortete ich schnell.
    »Und ich habe meine Zweifel daran. Offen gesagt, ich habe meine Zweifel an Ihnen, Cross. Mir ist gleich, daß er gern mit Ihnen redet. In der Psychiatrie geht es nicht darum, ob man seinen Arzt mag.«
    »Was er mag, ist, daß ich zuhöre.« Ich schaute Walsh über den Tisch weg an. Es gehörte viel Selbstbeherrschung dazu, nicht auf den anmaßenden Scheißkerl loszugehen.
    »Was sind die anderen Gründe dafür, den Patienten zu hypnotisieren?« meldete sich der Vertreter des Gouverneurs zu Wort.
    »Offengesagt, wir wissen nicht genug darüber, was er während der Schübe getan hat«, sagte Dr. Campbell. »Er auch nicht. Und auch seine Frau und seine Familie, mit denen ich mehrmals gesprochen habe, wissen nichts.«
    Ich fügte hinzu: »Wir sind uns außerdem nicht sicher, wie viele verschiedene Persönlichkeiten es sein könnten … Ein weiterer Grund für die Hypnose« – ich machte eine Pause, damit das, was ich sagen wollte, sich auch einprägte – »ist, daß ich ihn nach Maggie Rose Dunne fragen möchte. Ich will herausfinden, was er mit Maggie Rose gemacht hat.«
    »Wir haben Ihre Argumente gehört, Dr. Cross. Danke für Ihre Zeit und Mühe«, sagte James Dowd abschließend. »Sie hören von uns.«
     
    An jenem Abend beschloß ich, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen.
    Ich rief einen Reporter bei der Washington Post an, den ich kenne und dem ich vertraue. Ich bat ihn, sich in Pappy's Diner am Rand des Südostens mit mir zu treffen. Pappy's war ein Lokal, in dem uns niemand erkennen würde, und ich wollte nicht, daß jemand von unserem Treffen wußte. In unser beider Interesse.
    Lee Kovel war ein grau werdender Yuppie und ein ziemliches Arschloch, aber ich mochte ihn. Lee trägt seine Emotionen offen zur Schau: seine kleinlichen Eifersüchteleien, seine Bitterkeit über den traurigen Zustand des Journalismus, seine Anfälligkeit für Sentimentalität und seine gelegentlichen erzkonservativen Ansichten. Alle Welt konnte das sehen und darauf reagieren.
    Lee sackte neben mir auf einen Hocker am Tresen. Er trug einen grauen Anzug und hellblaue Laufschuhe. Pappy's zieht eine hübsche Mischung von Leuten an: Schwarze,

Weitere Kostenlose Bücher