Untitled
einer Therapie gemacht wird. Katherine Rose und Thomas Dunne hatten ein Anrecht darauf zu erfahren, was ihrem kleinen Mädchen widerfahren war.
Was ist mit Maggie Rose, Gary? Erinnern Sie sich an Mag gie Rose?
Das war ein äußerst riskanter Zeitpunkt während unserer Sitzung. Er konnte Angst bekommen und sich weigern, mich wieder vorzulassen, wenn er spürte, daß ich kein »Freund« mehr war. Vielleicht zog er sich zurück. Es bestand sogar das Risiko eines psychotischen Zusammen-Bruchs. Er konnte katatonisch werden. Dann war alles verloren.
Ich mußte Gary weiter wegen seiner Anstrengungen loben. Es war wichtig, daß er sich auf meine Besuche freute. »Was Sie mir bis jetzt gesagt haben, könnte äußerst hilfreich sein«, sagte ich zu ihm. »Sie haben das wirklich ganz hervorragend gemacht. Es beeindruckt mich, wie Sie sich dazu gezwungen haben, sich zu erinnern.«
»Alex«, sagte er, als ich mich zum Gehen wandte. »Bei Gott, ich habe nichts Scheußliches oder Böses getan. Bitte, helfen Sie mir.«
An jenem Nachmittag war ein Test mit dem Polygraphen angesetzt worden. Schon der Gedanke an den Lügendetektor machte Gary nervös, aber er schwor, er sei froh, sich dem Test zu stellen.
Er sagte zu mir, ich könne bleiben und auf das Ergebnis warten, wenn ich das wolle. Ich wollte durchaus.
Der Mann, der den Polygraphen bediente, war ein besonders tüchtiger Fachmann, der eigens für den Test aus D.C. geholt worden war. Achtzehn Fragen wurden gestellt. Fünfzehn davon waren »Kontrollfragen«. Die weiteren drei wurden für die Bewertung des Lügendetektortests benützt.
Etwa vierzig Minuten nachdem Soneji/Murphy zum Lügendetektortest nach unten gebracht worden war, kam Dr. Campbell auf mich zu. Campbell war vor Aufregung rot angelaufen. Er sah aus, als wäre er vom Veranstaltungsort des Tests aus gejoggt. Etwas Wichtiges mußte passiert sein.
»Er hat die höchste Bewertung bekommen, die überhaupt möglich ist«, sagte Campbell zu mir. »Er hat mit fliegenden Fahnen bestanden. Mit einem Bonus von zehn Punkten. Es ist möglich, daß Gary Murphy die Wahrheit sagt!«
49. Kapitel
Es ist möglich, daß Gary Murphy die Wahrheit sagt!
Am Nachmittag darauf hielt ich im Sitzungszimmer vom Gefängnis Lorton eine Besprechung über die weitere Vorgehensweise ab. Zum maßgeblichen Publikum gehörten Gefängnisdirektor Dr. Campbell, der Bundesstaatsanwalt James Dowd, ein Vertreter des Gouverneurs von Maryland, zwei weitere Anwälte vom Justizministerium in Washington, Dr. Walsh vom staatlichen Gesundheitsamt und außerdem das Beraterteam des Gefängnisses.
Es war eine Strapaze gewesen, sie alle zusammenzuholen. Jetzt, wo mir das gelungen war, mußte ich sie bei Laune halten. Es war meine einzige Chance, das zu verlangen, was ich brauchte.
Ich hatte das Gefühl, als wäre ich wieder in der mündlichen Prüfung am Johns Hopkins. Ich balancierte auf dem hohen Seil. Ich glaubte, die ganze Ermittlung gegen Soneji/Murphy stehe auf dem Spiel, jetzt und hier in diesem Zimmer.
»Ich möchte es bei ihm mit Hypnose versuchen. Keinerlei Risiko, aber Aussicht auf lohnende Ergebnisse«, erklärte ich der Gruppe. »Ich bin mir sicher, daß Soneji/Murphy ein gutes Medium ist, daß wir etwas Nützliches herausfinden. Vielleicht erfahren wir, was dem vermißten Mädchen zugestoßen ist. Ganz bestimmt erfahren wir etwas über Gary Murphy.«
In dem Fall waren schon mehrere Zuständigkeitsfragen aufgeworfen worden. Ein Anwalt hatte mir gesagt, das Thema eigne sich hervorragend für eine Examensfrage. Weil Bundesstaatsgrenzen überquert worden waren, fielen die Entführung Michael Goldbergs und der Mord an ihm unter die Bundesgerichtsbarkeit und würden vor dem Bundesgericht verhandelt werden. Über die Morde im McDonald's würde ein Gericht in Westmoreland verhandeln. Außerdem konnte Soneji/Murphy wegen der Morde, die er offenbar im Südosten begangen hatte, in Washington vor Gericht gestellt werden.
»Was hoffen Sie letztlich zu erreichen?« wollte Dr. Campbell wissen. Er hatte mich unterstützt und tat das weiterhin. Wie ich las er Skepsis auf mehreren Gesichtern, darunter dem von Walsh. Mir wurde klar, warum Gary etwas gegen Walsh hatte. Er wirkte engstirnig, pingelig und stolz darauf.
»Viel von dem, was er bis jetzt gesagt hat, deutet auf eine schwere Störung hin. Offenbar war seine Kindheit ziemlich grauenhaft. Er ist körperlich mißhandelt, vielleicht auch sexuell mißbraucht worden. Vielleicht hat sich seine
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