Untitled
Ich hatte recht. Der Jefe bat mich, am nächsten Morgen in sein Büro zu kommen.
»Was gibt's denn?« fragte ich.
Er wollte es mir am Telefon nicht sagen. Ich nahm an, er wolle mir die Überraschung nicht verderben.
Am Morgen vergewisserte ich mich, daß ich sauber rasiert war, und zog dem Anlaß zu Ehren meine Autolederjacke an. Ich spielte auf der Veranda ein bißchen Klavier, ehe ich das Haus verließ. Denk an Dunkelheit und Licht. Sei Dunkelheit und Licht. Ich spielte »The Man I Love«, »For All We Know« und »That's Life, I Guess«. Dann fuhr ich zum Jefe.
Als ich ins Büro kam, war dort für Viertel vor acht Uhr morgens zu viel los. Sogar der Assistent des Jefe wirkte der Abwechslung halber voll im Dienst.
Der alte Fred Cook ist ein verkrachter Sittenpolizist, der jetzt so tut, als wäre er ein Verwaltungsassistent. Er sieht aus wie eine der Trophäen, die bei Seniorenbaseballspielen verteilt werden. Fred ist mies, kleinlich und in erster Linie ein Taktiker. Wenn man von ihm was will, ist es, als ob man einer Puppe im Wachsfigurenkabinett eine Nachricht hinterläßt.
»Der Chief erwartet Sie.« Er bedachte mich mit einem dünnlippigen Lächeln. Fred Cook genießt es, wenn er früher unterrichtet ist als alle anderen. Selbst wenn er keine Ahnung hat, tut er so.
»Was ist denn heute morgen los, Fred?« fragte ich ihn geradeheraus. »Mir können Sie's doch sagen.«
Ich sah das allwissende Glitzern in seinen Augen. »Gehen Sie doch einfach rein und kriegen's raus. Ich bin mir sicher, daß Ihnen der Chief schon sagen wird, was er vorhat.«
»Ich bin stolz auf Sie, Fred. Ihnen kann man wirklich ein Geheimnis anvertrauen. Wissen Sie, Sie sollten im Nationalen Sicherheitsrat sitzen.«
Ich ging hinein, auf das Schlimmste gefaßt. Aber ich hatte den Chef der Kriminalpolizei etwas unterschätzt.
Im Büro bei Pittman war Bürgermeister Carl Monroe. Außerdem unser Police Captain, Christopher Ciouser, und ausgerechnet John Sampson. Es sah danach aus, als wäre im Allerheiligsten des Chief ein in Washington besonders beliebtes Ereignis zu erwarten: ein Arbeitsfrühstück.
»Ganz so schlimm ist es nun auch wieder nicht«, sagte Sampson leise. Im scharfen Gegensatz zu seinen Worten sah Sampson aus wie ein großes Tier, das sich in einer Falle verfangen hat, wie sie Jäger benutzen. Ich hatte das Gefühl, er hätte sich mit Freuden einen Fuß abgebissen, um aus dem Zimmer zu entkommen.
»Es ist überhaupt nicht schlimm.« Carl Monroe lächelte jovial, als er meine steinerne Miene sah. »Wir haben gute Nachrichten für Sie. Wirklich gute Nachrichten. Darf ich? Ja, ich glaube, ich sollte anfangen … Sie und Sampson werden heute befördert. Wir gratulieren unserem neuesten Senior Detective und unserem neuesten Abteilungsleiter.«
Sie klatschten zustimmend. Sampson und ich wechselten fragende Blicke. Was zum Teufel war los?
Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich Nana und die Kinder mitgebracht. Es war wie bei einer dieser Veranstaltungen, bei denen der Präsident Orden verteilt und sich bei Kriegerwitwen bedankt. Nur hatten sie dieses Mal die Toten mit eingeladen. In den Augen von Chief Pittman waren Sampson und ich tot.
»Vielleicht möchten Sie Sampson und mir mal erzählen, was hier los ist?« Ich lächelte Monroe verschwörerisch an. »Sie wissen schon, der Subtext.«
Carl Monroe ließ sein herrliches Lächeln aufblitzen. Es war so herzlich, so persönlich, so »echt«. »Ich bin gebeten worden, hierherzukommen«, sagte er, »weil Sie und Detective Sampson befördert werden. Das ist schon so gut wie alles. Ich bin mit Vergnügen« – er zog ein lustiges Gesicht – »um Viertel vor acht heute morgen hergekommen, Alex.«
Manchmal ist es schwer, Carl nicht zu mögen. Ihm ist völlig bewußt, wer und was er als Politiker geworden ist. Er erinnert mich an die Nutten in der 14th Street, die einem ein paar drekkige Witze erzählen, wenn man sie abführen muß.
»Es gibt noch ein paar Kleinigkeiten zu besprechen«, sagte Pittman, winkte dann aber den Gedanken beiseite, in das förmliche Gespräch etwas Wesentliches einzubringen. »Die können aber warten. Erst mal gibt es Kaffee und Kuchen.«
»Ich glaube, wir sollten jetzt alles besprechen.« Ich sah Monroe an. »Legen Sie's schon zum Kuchen auf den Tisch.« Monroe schüttelte den Kopf. »Warum lassen Sie's zur Abwechslung nicht mal langsam angehen?«
»Ich kandidiere doch nicht für ein öffentliches Amt, oder?« sagte ich zum Bürgermeister. »Ich bin
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