Untitled
schließlich kein Politiker.«
Monroe zuckte die Achseln, lächelte aber weiter. »Das weiß ich nicht so genau, Alex. Manchmal wächst ein Mann mit seinen Erfahrungen. Merkt, was funktioniert und was nicht. Das ist eindeutig befriedigender als Widerspruchsgeist. Obwohl es nicht immer dem Gemeinwohl nützt.«
»Geht es darum? Um das Gemeinwohl? Ist das unser Thema für das Frühstück heute morgen?« fragte Sampson die Gruppe.
»Ich glaube schon. Ja, ich glaube, es ist so.« Monroe nickte >
und biß in ein Stück Kuchen.
Chief Pittman goß Kaffee in eine teure Porzellantasse, die für seine Hand zu klein und zart war. Ich mußte an winzige Sandwiches mit Brunnenkresse denken. An das Mittagessen reicher Leute.
»In diesem Kidnappingfall sind wir mit dem FBI, dem Justizministerium und dem Secret Service aneinandergeraten. Das ist nicht gut. Wir haben beschlossen, uns ganz zurückzuziehen. Sie wieder von dem Fall zu entbinden«, sagte Pittman schließlich.
Bingo. Die Katze war aus dem Sack. Bei unserem kleinen Arbeitsfrühstück war die Wahrheit serviert worden.
Urplötzlich sprachen alle im Büro gleichzeitig. Mindestens zwei brüllten. Nette Party.
»Das ist totaler Blödsinn«, sagte Sampson dem Bürgermeister ins Gesicht. »Und Sie wissen es. Sie wissen es, nicht wahr?«
»Ich habe Sitzungen mit Soneji/Murphy angefangen«, sagte ich zu Pittman, Monroe und Captain Ciouser. »Ich habe ihn gestern hypnotisiert. Himmel, Herrgott, Sakrament, nein. Tun Sie das nicht. Nicht jetzt.«
»Wir wußten, daß Sie bei Gary Soneji Fortschritte machen. Wir mußten eine Entscheidung treffen, und wir haben sie getroffen.«
»Wollen Sie die Wahrheit wissen, Alex?« Carl MonroesStimme ertönte plötzlich im Zimmer. »Wollen Sie die Wahrheit darüber wissen?«
Ich schaute ihn an. »Jederzeit.«
Monroe sah mir direkt in die Augen. »Der Justizminister hat Druck auf viele Leute in Washington ausgeübt. In höchstens sechs Wochen, glaube ich, fängt ein Riesenprozeß an. Der Orient-Expreß hat den Bahnhof schon verlassen, Alex. Sie sitzen nicht drin. Ich sitze nicht drin. Das ist uns beiden über den Kopf gewachsen. Soneji/Murphy sitzt im Zug …
Der Ankläger, das Justizministerium, hat entschieden, Ihre Sitzungen mit Soneji/Murphy abzubrechen. Ein offizielles Psychiaterteam ist auf ihn angesetzt worden. So wird es von jetzt an gemacht. So lautet die Entscheidung. Der Fall ist in eine neue Phase eingetreten, und unsere Beteiligung ist nicht erforderlich.«
Sampson und ich verließen die Party zu unseren Ehren: unsere Beteiligung war nicht länger erforderlich.
52. Kapitel
In der nächsten Woche kam ich zu einer vernünftigen Zeit von der Arbeit nach Hause, meistens zwischen sechs und halb sieben. Keine Achtzig- und Hundert-Stunden-Wochen mehr. Damon und Janelle hätten nicht glücklicher sein können, wenn man mich bei der Polizei ganz hinausgeschmissen hätte.
Wir liehen uns Walt-Disney- und Ninja-Turtles-Videos aus, hörten uns die drei CDs »Billie Holiday – Das Vermächtnis 1933-1958« an, schliefen gemeinsam auf der Couch ein. Lauter erstaunlich gute Dinge.
An einem Nachmittag ging ich mit den Kindern zu Marias Grab. Weder Jannie noch Damon waren völlig über den Verlust ihrer Mutter hinweg. Als wir den Friedhof verließen, blieb ich an einem anderen Grab stehen, an Mustaf Sanders' letzter Ruhestätte. Ich sah immer noch seine traurigen kleinen Augen vor mir. Die Augen fragten mich: Warum? Noch keine Antwort, Mustaf. Aber ich war nicht bereit, aufzugeben.
An einem Samstag gegen Ende des Sommers machten Sampson und ich die lange Fahrt nach Princeton, New Jersey. Maggie Rose Dunne war noch immer nicht gefunden worden. Ebensowenig wie die zehn Millionen Dollar Lösegeld. Wir überprüften in unserer Freizeit alles noch einmal.
Wir sprachen mit mehreren Nachbarn der Murphys. Tatsächlich waren alle Familienmitglieder bei einem Brand umgekommen, aber niemand hatte Gary verdächtigt. Gary war, soweit alle in der Gegend von Princeton wußten, ein Musterschüler gewesen. Er hatte die High-School als Viertbester abgeschlossen, obwohl er nie zu lernen oder sich anzustrengen schien. Er bekam auch niemals Ärger, jedenfalls keinen, von dem seine Nachbarn in Princeton etwas wußten. Der junge Mann, den sie schilderten, ähnelte dem Gary Murphy, mit dem ich im Gefängnis Lorton gesprochen hatte.
Alle waren sich einig – bis auf einen einzigen Kindheitsfreund, den wir mit Mühe ausfindig machten. Der Freund, Simon
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