Untot mit Biss
Tomas ein anderes Erscheinungsbild zu geben … Dann konnte er vielleicht entkommen, während sich die Vampire auf mich konzentrierten.
»Hör zu, Cassie. Es gibt da …«
Ich fand nie heraus, was Tomas mir sagen wollte, denn genau in diesem Moment sprang die Tür so auf, als hätte sie gar kein Schloss, und fünf große Vampire stürmten herein. Sie sahen aus wie Linebacker, die eine Grunge-Band gegründet hatten: dicke Muskeln und schulterlanges, schmieriges Haar. Für einen Moment starrten wir uns nur an, ohne dass sich jemand bewegte. Die Größe spielte bei den Untoten kaum eine Rolle, aber Tony mochte das Eindrucksvolle, wegen des Einschüchterungsfaktors, nahm ich an. Es funktionierte – ich fühlte mich eingeschüchtert. Der Umstand, dass die Burschen gar nicht versuchten, ihre wahren Gesichter unter freundlichen Masken zu verbergen, war wenig hilfreich. Ich wusste, wie ein Vampir bei der Jagd aussah – ich hatte es oft genug gesehen – und trotzdem blieb es albtraumhaft. Mir blieb noch Zeit genug, mich zu fragen, ob ich mir wegen Albträumen Sorgen machen musste, und dann sprangen die Vampire auf uns zu. Ich verpasste einem von ihnen eine Kugel in die Herzgegend, doch das hielt ihn nicht auf, was mich kaum überraschte. Es spielte auch gar keine Rolle. Ich hatte gewiss nicht damit gerechnet, gegen fünf Vampire anzutreten. Einer solchen Übermacht stand ich hilflos gegenüber – Tony schien noch zorniger auf mich zu sein, als ich gedacht hatte.
Zwei
Die Waffe wurde mir aus der Hand gerissen, und jemand stieß mich mit dem Gesicht gegen die Wand. Gleichzeitig drehte man mir den Arm so weit auf den Rücken, dass ich befürchtete, er könnte brechen. Ich sah nicht, was geschah – immerhin hatte ich eine Betonwand im Gesicht –, aber die Geräusche deuteten darauf hin, dass die metallenen Regalgestelle umgestoßen wurden. Jemand brüllte zornig, und dann wogte Energie wie ein heißer Wind durch den Keller und strich mir funkenstiebend über die Haut. Mit genug Atem hätte ich geschrien, wegen der Hitze und des verdammten Mistkerls, der mir nicht die geringste Chance zur Flucht ließ. Tony hatte nicht nur eine ganze Gruppe Vampire hinter mir hergeschickt – einer von ihnen musste auch noch ein Meister sein. Niemand sonst konnte so viel Kraft herbeirufen, nicht einmal fünf zusammenarbeitende gewöhnliche Vampire.
Die meisten Vamps verbrachten ihre unsterbliche Existenz damit, kaum mehr als Sklaven zu sein. Sie dienten jenem, der sie geschaffen hatte, ohne die Möglichkeit, sich davonzumachen oder einen Auftrag abzulehnen. Aber manche von ihnen, für gewöhnlich jene, die im Leben besonders willensstark gewesen waren, gewannen im Lauf der Zeit an Macht. Wenn sie das Meisterniveau erreichten, konnten sie andere Vampire dazu bringen, ihnen zu dienen, und normalerweise erhielten sie dann eine gewisse Autonomie von ihren Herren. Die Stufe sieben war das niedrigste Meisterniveau, und die meisten kamen nie darüber hinaus. Aber für die anderen brachte jede weitere Stufe, die sie erreichten, neue Fähigkeiten und mehr Freiheit. Ich hatte mein ganzes Leben in der Nähe von Meistervampiren bis hin zur dritten Stufe wie Tony verbracht und gelegentlich beobachtet, wie sie außer sich gerieten. Aber nie zuvor hatte es sich angefühlt, als könnte mir ihre Kraft Löcher in die Haut brennen. Es erschien mir kaum vorstellbar, dass Tony einen ranghohen Vampir der zweiten oder ersten Stufe dazu überredet hatte, einen schäbigen kleinen Mord auszuführen – es war nicht unbedingt eine Herausforderung, mich um die Ecke zu bringen –, aber es gab keine andere Erklärung.
Ich rief Tomas zu, dass er weglaufen sollte, obwohl ich wusste, dass es kaum etwas nützte. Der Vampir, der mich festhielt, zog daraus offenbar den Schluss, dass ich noch zu viel Luft bekam. Die Hand an meinem Hinterkopf rutschte zum Nacken und drückte zu. Wenn ich Glück hatte, dachte ich, würde er mich erdrosseln, bevor er auf die Idee kam, mich zu verwandeln. So oder so würde es kein angenehmer Abend für mich, aber ich hatte keinen Bock darauf, bis in alle Ewigkeit Tonys hässliche Visage zu sehen.
Eine Sekunde später, als weiße Punkte vor meinen Augen tanzten und es mir in den Ohren rauschte, stieß der Vampir einen schrillen Schrei aus, und der Druck ließ plötzlich nach. Ich keuchte, sank auf die Knie und versuchte, genug Luft durch die brennende Kehle zu bekommen. Unterdessen zuckte und zappelte der Vampir und schrie so, als risse ihn
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