Untot mit Biss
auszuführen, den er bekommen hatte. Beauregard trachtete danach, ihn von meinem Hals zu lösen, aber seine Hand ging durch mich hindurch. »Ich bedauere sehr, Ma’am«, sagte er, während mir zum zweiten Mal an diesem Abend schwarz vor Augen wurde. »Ich habe den größten Teil meiner Kraft für diesen Schlag verwendet.« Kummervoll schüttelte er den Kopf. »Die Zeit hat uns übel mitgespielt.« Er schien eine Erwiderung von mir zu er warten, aber Anteilnahme war schwer, wenn man keine Luft bekam und hinter den Lidern ein Feuerwerk stattfand.
Der Vampir unternahm einen weiteren Vorstoß in meine Richtung, und Portia gelang es, ihn mit ihrem Sonnenschirm zu Fall zu bringen. »Schnappt ihn euch!«, rief sie, und das ganze Bataillon – bisher hatte es das Geschehen nur beobachtet – bewegte sich als eine große graue Masse. Es war einer jener Momente, in denen das Gehirn den Augen mitteilte, dass sie unmöglich sehen konnten, was sie sahen. Hunderte oder vielleicht sogar Tausende von Soldaten drängten sich am gleichen Ort zusammen und wurden zu einer dichten, brodelnden Masse. Ich fühlte mich an Wasser erinnert, das durch einen Abfluss strömte, aber in diesem Fall war der Abfluss für so etwas nicht vorgesehen, und die ganze Sache schien ihm ganz und gar nicht zu gefallen. Der Vampir prallte von Regalgestellen ab, und der unverletzte Arm schlug immer wieder zu, wie um die Angreifer abzuwehren. Seine Haut wurde fleckig und nahm einen violetten Ton an.
Als es mir schließlich gelang, die Finger von meinem Hals zu lösen und den Arm zu Boden zu werfen, bewegte sich der Vampir nicht mehr und stand starr wie eine Statue am Ende des Gangs. Ich versuchte, ihn im Auge zu behalten, wurde aber von dem Arm abgelenkt, der über den Boden auf mich zukroch. Was genau mit dem Vampir passierte, blieb unklar für mich, doch ich vermutete, dass jeder Geist einen kleinen Teil von ihm gefrieren ließ, wodurch er zu einem großen, hässlichen Eiszapfen wurde. Ich fragte mich gerade, was geschehen würde, wenn all die Geister plötzlich von ihm fortwichen, als es zu der Explosion kam. Ich hatte eine Weinflasche genommen und begonnen, damit auf den Arm einzuschlagen, und deshalb verpasste ich das große Ereignis. Ein plötzlicher Hagelschauer schleuderte mir eisige Vampirteile entgegen.
Portia schwebte über das grässliche Zeug auf dem Boden hinweg, drehte ihren spitzenbesetzten Sonnenschirm und strahlte. »Wir müssen jetzt gehen, Cassie. Das hat die Jungs viel Kraft gekostet; sie brauchen Ruhe. Aber du sollst wissen, dass wir uns prächtig vergnügt haben!« Sie nahm Beauregards Arm und machte einen Knicks, während er sich erneut verbeugte. Dann verschwand er zusammen mit der Menge, die aus den Resten des Vampirs strömte. Benommen saß ich mitten in dem schmelzenden, klebrigen Zeug und rieb mir den Hals. Mein Gesicht brannte dort, wo mich der Hagel aus Vampirteilen getroffen hatte, aber mit der Kehle stand es noch schlimmer. Ich konnte kaum schlucken, und das besorgte mich. Vielleicht hätte ich noch eine ganze Weile dort gesessen und beobachtet, wie Vampirreste auftauten und von Regalgestellen fielen, wenn Tomas nicht am Ende des Gangs erschienen wäre. »Schnell!« Er nahm mein Handgelenk und zog mich in den Hauptteil des Raums. Ich stieß einen schmerzerfüllten Schrei aus – er zog am Handgelenk des Arms, den mir der Vampir fast abgerissen hatte. Gleichzeitig erstaunte es mich, ihn lebend zu sehen. Ich hatte uns beide praktisch abgeschrieben und fragte mich jetzt, wer gegen die Vampire gekämpft hatte, wenn Portias Gruppe bei mir gewesen war. Blut tropfte von Tomas’ Hand, und für einen Moment dachte ich, dass es seins war, aber ich konnte keine Wunde sehen. Mein Schrei musste ihn erschreckt haben, denn er ließ mich plötzlich los, und ich fiel zu Boden und schnappte mühsam nach Luft – die Kehle machte mir noch immer zu schaffen. Als ich das schmerzende Handgelenk hielt, bemerkte ich die Körper. Abgesehen von meinem ersten Angreifer, der gurgelnde Geräusche von sich gab, während sich der Schutzzauber durch seine Brust brannte, bewegte sich nur noch ein Vampir: Er lag eingezwängt unter einem Stahlregal, das den Eindruck erweckte, von der Wand gerissen und auf ihn geworfen worden zu sein. Es hatte Bleche enthalten, Überbleibsel des Motivs »Städtisches Lagerhaus«, nach dem Mike den Club umgebaut hatte. Sie entsprachen nicht einer Architektenidee von eleganter Metallverkleidung, sondern waren so beschaffen, wie
Weitere Kostenlose Bücher