Untot mit Biss
töten, wenn sie ihn sahen. Wenn er den Ring einmal betreten hatte, würde er ihn nicht wieder verlassen.
Ich wollte die Tür öffnen, doch Billy Joe versperrte mir den Weg. »Zur Seite mit dir. Du weißt, dass ich es nicht mag, durch dich zu gehen.« Ich hatte ihm in dieser Nacht schon einmal Kraft gegeben, und das genügte.
»Du gehst dort nicht hinein. Ich meine es ernst. Denk nicht einmal daran.«
»Die einzige Person, die mir von meinen Eltern erzählen könnte, läuft Gefahr, gefressen zu werden. Aus dem Weg!«
»Damit es dir ebenso ergeht wie ihm?« Billy richtete einen ziemlich echt aussehenden Zeigefinger auf mich. »Hinter der Tür erstreckt sich ein Flur, und an seinem Ende stehen zwei bewaffnete Wächter. Es sind Menschen, aber wenn du durch ein Wunder an ihnen vorbeikommen solltest … Der Raum hinter ihnen steckt voller Vampire. Wenn du ihn betrittst, bist du so gut wie tot, und ohne dich schwinde ich so sehr, dass ich nichts mehr ausrichten kann. Ergebnis: Tony gewinnt. Willst du das?«
Ich starrte ihn an. Ich hasste es, wenn er recht hatte. »Was schlägst du vor? Ich will unbedingt mit ihm reden.« Billy schnitt eine Grimasse. »Dann komm mit.«
Wir eilten in der anderen Richtung durch den Flur, und schon nach kurzer Zeit war ich dankbar, dass mir Billy Joe den Weg zeigte. Ohne ihn hätte ich mich in diesem Gewirr aus Gängen, die alle grau waren, bestimmt nach kurzer Zeit verirrt – ich hätte schon nach wenigen Minuten die Orientierung verloren. Mehrmals betraten wir Räume, die mit Putzmitteln, defekten Glücksspielautomaten und in einem Fall mit Computern gefüllt waren. Personen begegneten wir nicht – vermutlich sahen sich alle die Kämpfe an. Als Billy durch eine weitere Wand schwebte, glaubte ich die Luft rein, vergeudete keine Zeit und riss die nächste Tür auf. Der Raum dahinter enthielt etwas, das nach Requisiten und Dekorationen aussah. Ich bemerkte eine Ansammlung von afrikanischen Masken und Speeren neben einer Rüstung, der die untere Hälfte eines Beins fehlte. Ein recht mitgenommen aussehender ausgestopfter Löwe lehnte am Sarkophag einer Mumie, der ein Poster enthielt, das für eine magische Show warb. Daneben stand eine große Statue, die den schakalköpfigen ägyptischen Gott Anubis zeigte – sein strenger Blick schien auf etwas gerichtet zu sein, das sich in der gegenüberliegenden Ecke befand. Ich sah in die entsprechende Richtung und entdeckte Jimmys hässliches Gesicht in einem Käfig mit besonders dicken Gitterstäben. Das scharf geschnittene Gesicht, das ölige, nach hinten gekämmte schwarze Haar und die listig blickenden Augen entsprachen meinem Erinnerungsbild von ihm. Aber in letzter Zeit schien es ihm recht gut ergangen zu sein, denn er trug keine ausgebeulten Sachen mehr, sondern einen maßgeschneiderten hellbraunen Anzug. Er brauchte einige Sekunden, um mich zu erkennen. Bei unserer letzten Begegnung hatte mir das Haar bis zum Hintern gereicht, und meine Aufmachung hatte Eugenies Vorstellung von der richtigen Kleidung für junge Damen entsprochen, was lange Röcke und hochgeschlossene Blusen bedeutete. Das Haar war praktischen Erwägungen geopfert worden und bildete einen weitaus weniger eindrucksvollen Bubikopf, als ich an dem Zeugenschutzprogramm teilnahm. Inzwischen war es nachgewachsen, aber nicht genug, um einen echten Unterschied zu machen. Außerdem hatte mich Jimmy nie in der Leder-Nummer gesehen. Nach einigen verwirrten Sekunden fiel bei ihm der Groschen. Das zu meiner tollen Verkleidung. »Cassandra! Zum Teufel auch, freut mich, dich zu sehen! Ich habe immer gewusst, dass du eines Tages zurückkehren würdest. Bitte lass mich hier raus. Es gibt da ein großes Missverständnis.«
»Missverständnis?« Es fiel mir schwer zu glauben, dass er wirklich annahm, ich wäre einfach so in die Organisation zurückgekehrt. Tony verzieh vielleicht einer Vierzehnjährigen, die fortgelaufen war, weil sie, wie er glaubte, einen Anfall jugendlicher Existenzangst erlitten hatte. Aber ein Erwachsener, der bestrebt gewesen war, ihn zu ruinieren, stand auf einem ganz anderen Blatt. Ich überlegte, ob ich Jimmy lassen sollte, wo er war. Es gefiel mir, ihn hinter Gittern zu sehen, aber ich hätte lieber an einem Ort mit ihm gesprochen, wo wir einigermaßen sicher sein konnten, nicht von Tonys Halunken gestört zu werden.
»Ja. Einer meiner Assistenten versucht mit Lügen dem Boss gegenüber, auf die leichte Art voranzukommen. Ich kann alles klären, aber dazu muss ich
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