Untot | Sie sind zurück und hungrig
von jedem traurigen Cop in einem schlechten Fernsehfilm: Wenn du eine Knarre hast, dann musst du auch damit rechnen, dass du sie benutzt. Und ich hab irgendwie Angst, dass es mir vielleicht zu sehr gefallen wird, sie zu benutzen. Dass es zu Unfällen und Gewissensbissen kommen wird, zu Tränen vorm Einschlafen. Es wird rumgeballert werden. Leute werden sterben.
Darum klettere ich vom Dach hinunter und vergrabe das blöde Teil in der Ecke bei dem grünen Kuhfladen, der schon wieder eine Kruste kriegt. Als ich fertig bin, schultere ich den Rucksack und trete aus dem Unterstand in das nebelige Halblicht.
Ein Muhen. Und noch ein Muhen. Und eine Art Meckern.
Riesige schwarz-weiße Umrisse kommen aus dem Nebel gestolpert.
O Schittischitt. Die Kühe kommen nach Hause. Und sie klingen schwer untot. Und ungefüttert.
Ich laufe zurück in den Unterstand, grabe die verdammte Knarre wieder aus, überprüfe das Stangenmagazin – es enthält noch sechs Schuss – und stopfe sie gesichert in die Jackentasche. Ich will gerade abhauen, als etwas um die Ecke geschlittert kommt.
Das Meckern von eben. Es kam von einer Ziege. Einer kleinen weißen Hüpfeziege mit winzig kleinen dolchartigen Hörnern und süßen mahlenden Zähnchen. Ihr läuft Blut aus Maul und Hinterteil, als ob ihr Körper die ranzigen Flüssigkeiten nicht länger bei sich behalten kann. Ein Auge baumelt am Faserbündel auf ihrer behaarten Backe, während das arme Vieh mich anmeckert. Mir dreht sich fast der Magen um.
Die Ziege schlägt mit einem Bein, das verkehrt herum einknickt, auf den Boden und macht dann einen flinken Hüpfer.
O Gott, nein.
Kühe sind groß und schwerfällig und ich kann sie ausmanövrieren. Aber das Tierchen hier ist von einem anderen Kaliber.
Die Ziege meckert erneut, senkt die Hörner und kommt angestürmt – ein bisschen wackelig zwar, aber schnell. Ich weiche aus wie ein Torero, doch sie macht auf ihren kleinen spitzen gespaltenen Hufen kehrt und rennt wieder los. An ihrem heilen Auge ist das Lid zurückgeklappt und man sieht das rosa Fleisch um den Augapfel herum. Diesmal bekommt sie meinen Ärmel mit den Zähnen zu fassen und reißt ein Stück Stoff heraus. Ich stoße sie weg.
»Hey! Das ist Kevlar, Alter!«
Die Ziege kann über Stichschutzstoffe nur lachen. Sie greift mich erneut an, ich mache einen Schritt nach hinten, rutsche auf dem grünen Kuhfladen aus und falle auf den Hintern. Die Ziege rumst mir gegen die Brust, ich hebe sie an den dürren Vorderbeinen hoch und als ihre Zähne nach meinem Gesicht schnappen, schleudere ich das Vieh so weit weg, wie ich kann, also ungefähr einen Meter fünfzig weit.
Sie rappelt sich wieder hoch, ich ebenfalls. Ich hab die Waffe gezogen, entsichere.
Zielen. Atmen. Abdrücken.
Von der Wucht des Rückstoßes und dem heftigen Knall setze ich mich gleich wieder hin. Sobald ich mich traue, sehe ich hinüber. Die Ziege liegt auf der Seite, ihr halbes Gesicht ist weg. Sie ist tot. Richtig, wirklich tot.
Ich weine. Gestatte mir einen riesigen blöden Heulanfall. Lasse alles raus – das mit Grace, dass ich um ein Haar ertrunken wäre, die frustrierende Hoffnungslosigkeit meines Vorhabens.
Als ich mir die Tränen abwische und vorsichtig den Unterstand verlasse, sehen die Kühe wachsam zu mir herüber, zu fett und zu blöd, den Hang zum Unterstand hinaufzusteigen. Ich entdecke eine Lücke, renne los und als ich so schnell, wie ich mich traue, den matschigen Hügel hinunterstapfe, bewegen sich da Lichter in der Ferne.
Ein Auto?
Die Lichter bewegen sich in einer geraden Linie, dann verschwinden sie.
Ich muss es riskieren, muss darauf setzen, dass das meine Truppe ist, die nach mir sucht. Ich schiebe die Pistole wieder in die Jackentasche und lege einen Zahn zu. Schlamm quillt zwischen meinen ramponierten Zehen hindurch und ich kann in dem Nebel, der zu allem Überfluss wieder dichter wird, keine zwei Meter weit sehen.
»Wird bald Nacht, Bobby.« Smitty wieder. Mein Hausgeist. Mein Schutzengel. Der Wahnsinn, der mich packt. »Je das Gefühl gehabt, dass es erst schlimmer werden muss, damit es besser werden kann?«
Die Sonne ist längst wieder hinter den Wolken verschwunden und ab und zu klatscht mir ein Regentropfen ins Gesicht. Dunkelheit senkt sich herab und es wird bald schütten. Aber vor allem hat sich der Nebel zusammengeballt und weiter ausgebreitet. Eine Zeit lang konnte ich ihn ein Stück weit entfernt sehen wie eine Mauer, zuerst vor mir, dann an den Seiten. Jetzt ist er
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