Unvergessen wie Dein Kuss
wie beendet”, sagte er, “und man begann allmählich in einer Weise auf mich aufmerksam zu werden, die ich unbedingt vermeiden wollte.” Er nahm einen Schluck Weinbrand, verzog sein Gesicht spitzbübisch und setzte das Glas nieder. “Entweder hat jemand meinen Weinbrand verkauft und ihn mit schalem Tee ersetzt, oder ich habe den Geschmack für Weinbrand verloren.”
Alistair sah ihn belustigt an. “Der Weinbrand hat einen ausgezeichneten Geschmack, Marcus.”
“Dann ist mein Geschmackssinn wirklich durch den abscheulichen Fraß im Fleet verdorben worden”, sagte Marcus seufzend. “Kein Wunder. Ein Mensch muss wirklich verzweifelt sein, um sich mit derartig widerwärtigen Bissen abzufinden.”
Alistair lachte in sich hinein. “Genau wie in Harrow, soweit ich mich erinnere. Aber hast du herausgefunden, was du wolltest?” Er schwenkte sein Weinbrandglas dabei. “Hast du Warwick gefunden – und seine Ganovenkomplizen? Ich platze vor Neugier. Erzähl mir alles.”
Marcus streckte seine langen Beine zum kalten Kamin hin. Wie das ganze Haus, so fühlte er sich ebenfalls kalt und leer. Einer der Gründe, warum er drei Monate im Fleet hatte zubringen können, war, dass niemand da war, der seine Abwesenheit bemerkte. In den Jahren nach dem Tod seiner Frau war er viel auf Reisen gewesen. Niemand war daher auch nur im Geringsten überrascht, als er monatelang verschwunden war und seine Dienerschaft den längsten Urlaub in London bekam.
In den drei Tagen seit seiner Entlassung aus dem Fleet war ihm die Leere von Stockhaven House mehr als je zuvor bewusst geworden. Es war seltsam, denn vorher hatte ihn seine Einsamkeit nie gestört. Jetzt aber spürte er, dass er mehr wollte; wenn er auch nicht genau wusste wovon. Ein Haus voller Diener jedenfalls schien nicht die Antwort zu sein.
“Ich entdeckte, dass das Gefängnis ein fruchtbarer Boden ist, um Männer für die kriminelle Bruderschaft zu rekrutieren”, antwortete Marcus nach einer Weile. “Schuldner, die um jeden Preis herauskommen wollen, versprechen denen, die sie aus dem Gefängnis freikaufen, einfach alles.”
Alistair spitzte die Lippen zu einem lautlosen Pfiff. “Genau das, was du gedacht hast. Aber es wäre doch sicher lohnender, eine Anzahl hartgesottener Verbrecher in Newgate zu rekrutieren statt im Fleet?”
Marcus schüttelte den Kopf. “Was nützt es, einen Mann zu rekrutieren, der vielleicht am nächsten Tag gehängt wird? Die Schuldner des Fleet sind da die bessere Wahl. Und es ist durchaus möglich, dass einige überhaupt nicht kriminell sind. Aber alle sind verzweifelt, weil sie kein Geld haben; und derjenige, der sie aus dem Gefängnis freikaufen kann, hat sie für den Rest ihres Lebens in der Hand.”
“Ist Edward Warwick so einer?”, fragte Alistair.
Marcus nickte. Warwick zu jagen, einen der führenden Köpfe in der Verbrecherszene, war der Grund, warum Marcus überhaupt in das Fleet gegangen war. “Er ist mit Sicherheit einer der Drahtzieher”, antwortete er. “Ich habe drei Monate mit Männern in einer Zelle verbracht, denen allein sein Name Angst einjagte. Meine Zellengenossen hatten viel zu viel Angst, um mehr als nur Informationsfetzen preiszugeben. Ich erfuhr lediglich, dass Warwick die Schulden eines Mannes kauft, damit der dann nach seiner Pfeife tanzt.”
Alistair verengte seine Augen zu einem schmalen Schlitz. “Es war wohl wirklich klug von dir, deine Erkundigungen inkognito einzuziehen. Du hast während der Zeit im Fleet den Mann also nicht getroffen?”
“Leider nicht, obwohl er das Gefängnis regelmäßig besucht, um seine Leute zu rekrutieren. Aber vielleicht war es auch ein Glück, dass Warwick und ich uns nicht begegnet sind.” Marcus presste die Lippen aufeinander. “Eines Tages werden wir uns sehen, und ich wünschte, ich wäre dann besser vorbereitet.”
Alistair Cantrell nickte. “Aber du hast etwas Brauchbares über das Feuer in Salterton herausbekommen? Bist du sicher, dass es auf Warwicks Konto geht?”
“Ja, das bin ich”, antwortete Marcus. Ein Frösteln überlief ihn. Jene Winternacht vor sechs Monaten war schlimm gewesen. Lady Jane Southern, seine Schwiegermutter, war in den späten Abendstunden verstorben. Marcus weilte zu der Zeit auf Salterton Hall, um die Ordnung wiederherzustellen und den Dienern Trost zu spenden. Viele von ihnen hatten der Familie Southern jahrelang gedient. Erst um Mitternacht hatte er in sein eigenes Haus zurückkehren können: Salterton Cottage, das sich auf dem
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