Unvergessen wie Dein Kuss
erfreut sein. Wie ich hörte, erhält er sich nur dank seines schmalen Solds und der mageren Einkünfte von Miss Standish. Er ist ein ziemlich verschlagener Mensch.”
Mit Freddie, Lord Standish, hatte Marcus nie viel anfangen können. Sie waren durch den Zufall der Heirat verwandt, aber ihre Wege hatten sich selten gekreuzt. Marcus hatte sogar eine gewisse Abneigung seitens Freddies gespürt, die umso stärker schien, da sie unausgesprochen blieb. Deshalb war Marcus ihm meist mit einem gleichgültigen Achselzucken aus dem Weg gegangen.
Von Isabellas Schwester, Penelope, hielt Marcus mehr. Sie war ein furchteinflößender Blaustrumpf und hatte das Pech, mit Freddie ein kleines Haus in einer weniger angesehenen Gegend Londons zu teilen. Aber da Pen Standish die Gesellschaft mied, kannte Marcus sie nicht besonders gut.
“Ich kann mir nicht vorstellen, dass Standish gern in Salterton würde wohnen wollen”, sagte Marcus. “Er zieht London vor.”
“Er hätte das Haus verkaufen können”, gab Alistair zu bedenken.
“Das war zweifellos einer der Gründe, warum Lady Jane sich entschloss, das Anwesen einem anderen Mitglied der Familie zu hinterlassen”, antwortete Marcus. “Sie wollte gern, dass es jemand übernimmt, dem es auch etwas bedeutet.”
Alistair blickte ihn überrascht an. “Bist du nicht derjenige, Marcus? Die alte Lady hielt doch große Stücke auf dich.”
“Nein”, antwortete Marcus und schüttelte leicht den Kopf. “Mir hat sie es nicht hinterlassen.”
“Wem dann?”
“Ich glaube, ihre Erbin ist Fürstin Isabella Di Cassilis”, sagte er.
Alistair spitzte die Lippen. Mit einem gewissen Funkeln in den Augen sagte er: “Deswegen also wolltest du, dass ich etwas über die Schulden der Fürstin in Erfahrung bringe! Ich hatte gehört, dass sie nach London zurückgekehrt war. Die Zeitungen waren voll davon.”
Marcus zögerte. Obwohl er Alistair gebeten hatte, das Ausmaß von Isabellas Schulden gegenüber den Henshall-Brüdern herauszufinden, hatte er seinem ältesten Freund nicht anvertraut, dass er Isabella geheiratet hatte. Alistair, der zwölf Jahre zuvor bei der missglückten Hochzeit sein Trauzeuge gewesen war, wäre sicher sehr erstaunt darüber, dass Marcus Isabella nun die Ehe angetragen hatte. Dennoch konnte er seinen Freund nicht länger in Unkenntnis lassen. Ganz London würde recht bald über die Eheschließung Bescheid wissen.
“Es gab noch einen weiteren Grund für mein Interesse”, sagte Marcus und sprach bewusst langsam. “Wir haben am Dienstag geheiratet.”
Er wartete, während Alistair wie abwesend blinzelte, auf die Weinbrandflasche blickte und sich dann wieder Marcus zuwandte. Seine Lippen formten unhörbar die Wörter
Fürstin
und
geheiratet
. Marcus lächelte spitzbübisch.
“An deinem Weinbrand muss sich doch irgendjemand zu schaffen gemacht haben”, sagte Alistair nach einer Weile. “Entweder das, oder bei mir stimmt etwas im Oberstübchen nicht. Ich glaubte für einen Moment, du hättest gesagt, dass du Fürstin Isabella geheiratet hättest. Ich muss wohl manchmal Stimmen hören.”
“Du hast richtig gehört”, antwortete Marcus und lächelte leicht. “Es ist mir klar, dass die Nachricht meiner Hochzeit etwas plötzlich kommt.”
“Plötzlich ist gar kein Ausdruck.” Dabei sah Alistair seinen Freund finster an. “Ich hatte keine Ahnung davon, wie viel dir an Salterton Hall lag. Die Erbin zu heiraten, nur um an den Besitz zu kommen!”, fügte er hinzu. “Warum konntest du nicht einfach Lady Jane ein Kaufangebot machen? Oder war dir das nicht kompliziert genug?”
“Es war nicht ganz so”, erwiderte Marcus mit reuiger Stimme.
“Ein überstürzter Heiratsantrag im Fleet, war es das?”, fragte Alistair spöttisch. “Ach ja, wie romantisch!” Er lehnte sich im Sessel zurück und sah ganz niedergeschlagen aus. “Verdammt, Marcus, ich hasse die Art, wie du einen überraschst.”
Marcus seufzte. “Da gibt es auch wirklich wenig zu erzählen. Wir trafen uns und heirateten. Und nun bin ich gekommen, um mein Recht auf meine Braut geltend zu machen.”
“So wie man es eben macht”, gab Alistair trocken zurück. Er rückte in seinem Sessel hin und her und rieb sich die Stirn. “Ich nehme an, du weißt, dass Fleet-Ehen vor etwa fünfzig Jahren für unrechtmäßig erklärt worden sind?”
“Ja.” Marcus erhob sich und strich mehrmals über die Ärmel seines Gehrocks, um den betagten Abendanzug etwas weniger abgenutzt erscheinen zu lassen.
Weitere Kostenlose Bücher