Unvergessen wie Dein Kuss
Hand.
Das Publikum war bereits dabei, sich zu erheben. Die Logen waren so gestaltet, dass ihre Besitzer gesehen wurden, und viele Leute hatten inzwischen nach oben geblickt und Marcus neben Isabella bemerkt. Die Massen im Sperrsitz eilten in würdeloser Hast auf die Di Cassilis-Loge zu.
Marcus wandte sich an Isabella. Sein Ton war wieder kühl und ein wenig hart.
“Wir werden hierbleiben und sie empfangen.”
“Nein”, antwortete sie. Der kurze Augenblick der Nähe war vorbei, denn Isabella konnte sehen, wie sehr Marcus die Aussicht genoss, sich zusammen dem
Ton
zu stellen. “Sie können empfangen, wen Sie wünschen, Mylord. Dies ist schließlich nun Ihre Loge. Ich aber gehe.”
Und ehe er Einwände erheben konnte, war sie hinter die Vorhänge geschlüpft und hatte die geheime Treppe zur Garderobe genommen. Isabella hatte schon immer gewusst, dass Ernests Neigung, Schauspielerinnen zu verführen, ihr eines Tages zustatten kommen würde.
“Was zum
Teufel
?”
Marcus stand im Leseraum bei White’s und starrte mit unverhülltem Entsetzen auf die Anzeige in der
Times
. Er wartete auf Alistair, der indes eine Nachricht hinterlassen hatte, dass er einige Minuten später als vereinbart kommen würde. Inzwischen hatte ein Clubdiener die Morgenzeitungen verteilt, und Marcus hatte auf der Suche nach der Anzeige über seine Heirat mit Isabella gespannt die Seiten durchgeblättert. Bei einer öffentlichen Bekanntmachung hatte man irgendwie das Gefühl, dass man den ersten Schritt zur Legitimierung der Beziehung getan und damit der Welt etwas wirklich Greifbares gegeben hatte. Marcus war jetzt voller Erwartung.
Es stand gedruckt da und starrte ihn an. Zunächst war die Bekanntmachung der Eheschließung zu lesen:
Der Earl of Stockhaven freut sich, seine Eheschließung mit Fürstin Isabella Di Cassilis bekannt zu machen …
So weit, so gut. Aber unmittelbar unter der Bekanntmachung hatte jemand die folgende Feststellung eingefügt:
Die Fürstin Di Cassilis wünscht hiermit bekannt zu machen, dass sie künftig den Titel einer Fürstin den einer Countess vorziehen wird, da er im Rang höher ist. Sie wünscht auch deutlich zu machen, dass sie den Earl of Stockhaven seines Geldes wegen geheiratet hat.
In Marcus’ Ohren dröhnte ein seltsames Geräusch, und seine Umgebung schien ihm merkwürdig gedämpft, als befände er sich unter Wasser. Ein paar Bekannte gingen an ihm vorbei, machten ein paar scherzhafte Bemerkungen, begleitet von einem freundschaftlichen Schlag auf die Schulter. Marcus bemerkte sie fast gar nicht, während er die Zeilen immer wieder durchlas. Das war natürlich Isabellas Werk! Er hatte den Fehler begangen, ihr von der Bekanntmachung vorher zu erzählen. Und sie hatte umgehend Gegenmaßnahmen ergriffen. Das Gefühl des Triumphes, das ihn noch vorhin beflügelt hatte, verdorrte und starb schließlich.
Freddie Standish kam durch die Tür. Marcus dachte einen Augenblick lang, dass sein Schwager ihn völlig ignorieren würde. Freddie war kein Held. Es war unwahrscheinlich, dass er eine Konfrontation heraufbeschwören würde.
Die Atmosphäre in dem Raum war unglaublich angespannt. Alle warteten ab, was geschehen würde. Und Freddie Standish ging nicht einfach vorbei, sondern schritt geradewegs auf Marcus zu.
“Gratuliere, Stockhaven”, sagte er kühl und bot ihm nicht die Hand. Es hörte sich an, als bereitete ihm das Sprechen Schmerzen. Mit seinen blauen Augen blickte er ihn unglaublich kalt an. “Zuerst heiraten Sie meine Cousine und nun meine Schwester. Sie haben mehr Glück, als Sie verdienen.” Er hielt inne, und die Wucht seiner Worte wirkte wie Hammerschläge auf Metall. “Ich will niemals hören, dass Isabella unglücklich ist, sonst werde ich Sie zur Rechenschaft ziehen.”
Freddie machte auf dem Absatz kehrt und schritt geradewegs hinaus. Ein Geflüster aus Erschrecken und wilden Vermutungen wogte hinter ihm her.
Die zum Zerreißen angespannten Muskeln in Marcus’ Körper lösten sich erst ganz allmählich. Er hatte zwar schon bei früheren Gelegenheiten Freddies Feindseligkeit wahrgenommen, sich aber nie viel dabei gedacht.
Zuerst heiraten Sie meine Cousine …
Marcus hatte nicht geglaubt, dass India und Freddie ein besonders enges Verhältnis gehabt hätten. India hatte ihn nie erwähnt. Jetzt aber wurde Marcus doch neugierig. Es musste einen Grund für Freddies Feindseligkeit geben. Irgendetwas musste seiner Heirat mit Isabella vorausgegangen sein. Daher konnte Freddies Verhalten
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