Unvergessen wie Dein Kuss
jedenfalls nicht bei Ihnen vermutet.”
Marcus rückte etwas unruhig hin und her. Seine Stimme bekam einen harten Klang. “Sie wissen nichts über meine Interessen, Madam.”
Isabella spielte mit ihrem Fächer. “Das brauche ich auch nicht. Wir mögen zwar miteinander verheiratet sein, aber wir müssen einander ja nicht mit unseren Interessen langweilen – oder mit unserer Gesellschaft. Um es deutlich zu sagen”, sie stand auf, “ich glaube, die Aufführung hat ihren Zauber für mich verloren. Ich werde mich zurückziehen.”
Marcus umfasste rasch ihr behandschuhtes Handgelenk und zwang sie so, sich wieder zu setzen. “Das glaube ich nicht. Da unsere Eheschließung morgen in den Zeitungen stehen wird, möchte ich, dass man uns heute Abend zusammen sieht.”
“Das ist also, was Sie befehlen.”
“Das ist, worum ich bitte.” Aus seinem Ton war recht wenig Höflichkeit herauszuhören, dachte Isabella. Was er gesagt hatte, war keineswegs eine Bitte.
“Und wenn ich es vorziehe, Ihrer
Bitte
nicht zu entsprechen?” Dem Wort gab sie eine verächtliche Betonung. “Was dann?”
Marcus seufzte. “Meine liebe Isabella, Sie sind viel zu klug, um nicht zu sehen, dass es für uns beide viel bequemer ist, wenn Sie meinen Wünschen nachkommen. Warum wollen Sie mit mir kämpfen? Sie wissen, dass ich alle Trümpfe in der Hand halte.”
Eine Welle von heißem Zorn durchfuhr sie. “Was wollen Sie eigentlich?”, zischte sie.
“Das habe ich Ihnen gestern Abend auf dem Ball erklärt”, antwortete er ungerührt. “Ich will Sie als meine Frau, und zwar in jeder Hinsicht. Ich will eine öffentliche Anerkennung der Tatsache, dass wir verheiratet sind, und ich will eine private Abrechnung mit Ihnen. Danach könnten wir vielleicht eine gesetzliche Trennung erwägen.”
Seine kalte Gefühllosigkeit presste ihr gleichsam das Herz zusammen. Ihm ging es um nichts anderes als bloße Rache.
“Sie wollen öffentliche Genugtuung, weil ich Sie damals verlassen habe”, flüsterte sie.
“Ja.”
“Und eine private Abrechnung.” Isabella hielt inne. “Nicht nur um Ihretwillen, sondern auch Indias wegen.”
Sie merkte, wie er zusammenzuckte. Er wandte sich ihr zum ersten Mal voll zu, und seine Augen waren erfüllt von einem Gefühl, das sie nicht einordnen konnte.
“Sie geben es also zu? Sie waren wirklich so berechnend und bestechlich?”
Die Worte stachen in ihr Herz wie ein Messer. Käuflich, berechnend, bestechlich … was er von ihr hielt, konnte nicht schlimmer sein.
“Ich habe keine Ahnung, worauf Sie sich beziehen”, sagte sie und bemühte sich um einen gleichmütigen Ton. “Ich kann nur vermuten, dass Sie mir etwas vorwerfen, bei dem es auch um India geht, und dass Sie entschlossen sind, dafür ebenfalls Vergeltung zu üben.”
Sie hörte, wie Marcus im Dunkeln seufzte. Auf der Bühne schwoll die Arie zum Crescendo an. Isabella hielt ihren Blick bewusst geradeaus auf die in leuchtenden Farben gekleideten Darsteller gerichtet, so als ob Marcus gar nicht existierte.
Sie war gespannt wie ein Bogen, aber als die Darstellung auf der Bühne ihren Höhepunkt erreichte, stellte sie überrascht fest, wie sie von der Macht der Musik gleichsam hinweggetragen wurde, weit weg von dem unglücklichen Gefühl in ihrem Inneren. Sie bemerkte, wie Marcus’ Griff um ihr Handgelenk zart, fast liebkosend wurde. Er verschränkte seine Finger mit den ihren. Seine Berührung war jetzt ganz leicht, verriet aber so etwas wie einen zarten Besitzanspruch, der ein seltsames Gefühl in ihr auslöste. Sie wusste, dass sie eigentlich wegrücken und deutlich machen müsste, dass er kein Recht auf diesen Anspruch hatte, aber sie konnte es nicht.
Marcus hielt während der restlichen Zeit der Aufführung Isabellas Hand, und das Prickeln an ihrem Handgelenk weitete sich zu einem tiefgreifenden, ihren ganzen Körper erfassenden Gefühlsstrom aus. Hitze, Unruhe und Erregung drohten sie zu überwältigen. Sie war ganz sicher, dass die Röte ihrer Wangen sie verraten würde, und war kaum in der Lage, still zu sitzen. Als die Musik abebbte und der Beifall aufbrauste, war der Lärm beinah zu viel für sie. Dann bemerkte sie, wie Marcus sie beobachtete. Sein vorher harter Blick war nun weicher geworden, und in seinen dunklen Augen blitzte etwas auf, das gefährlich zärtlich aussah. Ihr Herz flatterte. Sie öffnete den Mund, um zu sprechen, doch in diesem Moment gingen die grellen Lichter an. Isabella blinzelte, wich zurück und entzog Marcus ihre
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