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Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)

Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)

Titel: Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eileen Dreyer
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gewirbelt hatte. Livvie, die seine Verletzungen und blauen Flecke versorgt hatte, die er anscheinend gesammelt hatte. Ihre Hände waren weich und warm wie Sonnenlicht auf seiner Haut gewesen. Ihre Geduld, wenn er wieder einmal spät nach Hause gekommen war. Ihre Freude, wenn er ihr die verrücktesten Geschenke gemacht hatte, die er während seiner Streifzüge gesammelt hatte; wie ein Schuljunge, der dem kleinen Mädchen am Ende der Straße Vogelnester mitbrachte.
    Er konnte die Flure seines Zuhauses sehen, abgenutzt durch unzählige Schritte. Nicht so sehr ein großes Anwesen, als ein Durcheinander von nicht zusammenpassenden Flügeln. Er hatte einen Lieblingsflügel – im jakobinischen Stil mit Kassettendecken und einer kunstvollen Vertäfelung. Er sah Livvie dort, lachend. Sie hatte immer gelacht.
    Anders als jetzt. Jetzt wirkte sie erschöpft, traurig, leer.
    Und das Kind. Sie hatte das Kind verloren? Es musste so sein. Er konnte sich keinen anderen Grund für einen so tiefen Ausdruck von unaussprechlichem Schmerz in ihren Augen vorstellen.
    Er sah auf seine Hand und bemerkte, dass sie zitterte. Er hatte diese Hand auf die leichte Wölbung ihres Bauches gelegt. Ihre Hand hatte auf seiner gelegen, und ihre Augen waren strahlend vor Staunen und Freude gewesen.
    »Kannst du spüren, wie er sich bewegt?«, hatte sie gefragt. »Kannst du es spüren?«
    Er hatte es gespürt. So etwas hatte er nie wieder erlebt.
    Und jetzt war ihr Kind tot.
    Dann sah er sich seltsamerweise auf einem prachtvollen rotbraunen Pferd sitzen und aufs Meer blicken. Doch es war nicht das Meer, das er aus Yorkshire kannte. Es war nicht Scarborough oder Ramsgate oder Bristol. Von flachen Dünen aus sah er auf die graue See hinaus und wartete. Er wusste nicht, worauf; er wusste nicht, warum. Er erinnerte sich nur an das Gefühl von Aufregung. Ungeduld. Und unter all diesen Empfindung eine tief greifende Verzweiflung.
    Er erinnerte sich an Familie und Freunde und Orte, die er nicht benennen konnte, Menschen, die englisch, französisch und spanisch sprachen.
    Mimi. Die lachende, glückliche Mimi.
    Und wieder Livvie. Er sah sie plötzlich tränenüberströmt und starr auf der Einfahrt zur Abbey stehen. Er erinnerte sich an das befriedigende Gefühl, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen und dann zum Fenster im vorderen Salon zu laufen, um den Wildhüter Rogers dabei zu beobachten, wie er sie vom Grundstück führte. Er erinnerte sich an den bitteren Geschmack des Verrats, der ihn angetrieben hatte, und an das gute Gefühl, als er gesehen hatte, wie jämmerlich sie aussah.
    Und wer war da hinter ihm? Er konnte niemanden sehen, aber hören.
    »Vielleicht denkt sie beim nächsten Mal vorher darüber nach, ehe sie ihren Ehemann betrügt.«
    »Beim nächsten Mal wird es ihr Gönner sein, den sie betrügt«, hörte er sich selbst sagen und schämte sich.
    Und dann hörte er die andere Person lachen. Gervaises Lachen.
    Die Erinnerung verblasste wieder, und Jack blieb mit dem bitteren Bodensatz der Selbstverachtung zurück. War er wirklich so brutal gewesen? Hatte er sich tatsächlich nie ihre Seite der Geschichte angehört?
    War er sich so sicher gewesen? Oder hatte er sich von allen anderen beeinflussen lassen? Vor allem von Gervaise. Gervaise, der sich voller Bedauern zu ihm herüberbeugte und peinlich berührt und zögerlich wiedergab, was Olivia angeblich getan hatte, während er unterwegs gewesen war. Alles zu Jacks Bestem, natürlich.
    War Gervaise wirklich so ein Intrigant gewesen, wie Olivia behauptete?
    Jack rieb sich den schmerzenden Kopf, erhob sich und trat ans Fenster, das in den Garten hinausführte. Es war spät, und der Mond warf sein silbriges Licht auf die Blätter, die sich im leichten Wind wiegten. Sie war noch immer da, so reglos wie eine Statue. Den ganzen Nachmittag hatte sie so im Garten gesessen. Jack hatte Leute kommen und gehen sehen. Die meisten hatten in der Tür zur Bibliothek gestanden und sie beobachtet, manche hatten mit ihr gesprochen. Einmal hatte Lady Bea sich zu ihr gesetzt, ohne sie zu berühren. Er glaubte, dass Olivia kurz den Kopf geschüttelt hätte. Ansonsten hatte sie sich einfach nicht gerührt.
    Warum tat das so weh? Warum war er so besorgt um sie? Selbst wenn sie den Morgen in seinen Armen verbracht und ihm gesagt hatte, wie sehr sie es liebte, wenn die ersten Sonnenstrahlen ihn weckten. Selbst wenn er noch immer ihren Duft wahrnehmen und ihr Lachen hören konnte, als er ihren Hals liebkost hatte. Selbst wenn

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