Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
Diccan. Aber es war Lady Bea, die Sie durchschaut hat.«
Olivia riss staunend die Augen auf. »Lady Bea?«
»Oh ja«, erwiderte Lady Kate. »Haben Sie sie nicht gehört? Sie hat Jack Odysseus genannt. Ein Mann im Exil. Und dann hat sie Sie Penelope genannt – na ja, das war später. Die Ehefrau, die so lange gelitten hatte.«
Sie hielt inne, als würde das als Erklärung reichen. Olivia war noch verwirrter als zuvor.
Es war Grace, die das Wort ergriff. Sie verzog den Mund zu einem Lächeln, während sie Lady Bea half, die Teetassen zu verteilen. »Ich glaube nicht, dass Olivia es schon verstanden hat.«
»Ach, du liebe Zeit.« Lady Kate lachte leise. »Natürlich. Sie haben Schwierigkeiten, meine liebe Bea zu verstehen.«
Olivia errötete. »Ich, na ja …«
Lady Kate wischte Olivias Unbehagen mit einer Handbewegung beiseite. »Das ist schon in Ordnung. Bea macht es nichts aus, dass darüber gesprochen wird. Vor ein paar Jahren hat sie die Fähigkeit verloren, normal zu kommunizieren.«
»Garn entwirren«, sagte Bea mit einem Nicken.
Olivia konnte nicht anders, als Lady Bea anzublicken, doch die alte Frau sah nicht von den Teetassen auf, die sie gerade füllte. »Ein Schlaganfall?«
Lady Kate schüttelte den Kopf. »Heldenmut.« Mit verdächtig schimmernden Augen wandte sie sich ihrer Freundin zu. »Bea erlitt eine Verletzung, als sie einer hilflosen Freundin helfen wollte, und ihr Sprachzentrum hat darunter gelitten. Sie ist genauso scharfsinnig und geistig fit wie vor dem Vorfall, aber wegen der Verletzung kann sie sich nicht mehr wie gewohnt mitteilen. Sie spricht in, na ja, Metaphern. Symbolen. ›Garn entwirren.‹ Sie will damit sagen, dass man manchmal ihre Gedanken von ihrer Sprache lösen muss, um den Sinn zu enträtseln. Verstehen Sie?«
Olivia nickte bedächtig. »Das tue ich. Ich hoffe nur, dass ich Ihnen nicht zu nahegetreten bin, weil ich das nicht wusste, Lady Bea.«
Lady Bea sah auf und lächelte. »Unmöglich«, erwiderte sie in ihrer knappen Art. »Essen.« Und sie reichte Olivia eine Tasse.
Olivia musste lächeln, als sie die Tasse entgegennahm.
»Tja, Olivia«, sagte Lady Kate und nahm einen Schluck aus der Teetasse aus hauchdünnem Porzellan. »Was sollen wir jetzt mit Ihnen machen?«
Vorsichtig stellte Olivia ihre eigene Tasse auf dem Tischchen aus Seidenholz ab, das neben ihrem Sessel stand. Ihre Galgenfrist war also vorbei. »Ich werde selbstverständlich gehen.«
»Ehe ich Sie eigenhändig am helllichten Tag auf die Straße werfen kann, damit jedermann Ihre Schande mitbekommt?«
Olivia zuckte mit den Schultern. »Das kenne ich bereits.«
Sie glaubte zu hören, wie Grace erschrocken die Luft einsog. Lady Kate hingegen reagierte gereizt. »Ich bin früher schon beleidigt worden«, versetzte die kleine Duchess, »doch ich wurde noch nie ›gesittet‹ genannt. Als Nächstes erklären Sie, dass ich Sie an eine Gönnerin aus dem Almacks Klub erinnere.« Sie sagte das in einem Tonfall, als würde sie über Ungeziefer sprechen. »Und ich lasse keine Freundin im Stich, nur weil sie noch berüchtigter ist als ich.« Sie lächelte. »Obwohl ich zugeben muss, dass ich ein bisschen neidisch war. Sie waren eine Saison lang das Gesprächsthema Nummer eins.«
Olivia bemühte sich, ruhig zu bleiben. »Tatsächlich waren es zwei Saisons.«
»Wir haben alle die offizielle Version darüber gehört, was passiert ist«, sagte Lady Kate und nahm sich einen Keks vom Tablett. »Aber ich glaube, dass sich niemand Ihre Sicht der Dinge angehört hat. Bea und Grace und ich haben das Recht, die Ersten zu sein.«
Lady Bea nickte nachdrücklich. »Familie.«
Olivia war überwältigt. Sie griff nach ihrer Teetasse und nahm einen Schluck, als würde ihr das die Erleuchtung bringen.
»Grace«, sagte Lady Kate, ohne Olivia aus den Augen zu lassen, »wissen Sie, wer die Countess of Gracechurch ist?«
»Ich fürchte, ich muss meine Unwissenheit gestehen«, gab Grace zu. »Ich habe allerdings den Großteil der vergangenen zwanzig Jahre im Ausland verbracht. Ist es eine schlimme Geschichte?«
» Sehr schlimm.« Lady Kate lächelte. »Zumindest, wenn man Jacks Cousin Gervaise Glauben schenkt.«
Bei der Erwähnung von Gervaises Namen zuckte Olivia unwillkürlich zusammen.
»Ist Gervaises Erzählung denn nicht richtig?«, wollte die Duchess wissen.
»Ich bin sicher, dass Gervaises Erzählung außerordentlich ist«, erwiderte Olivia. Schließlich stellte sie ihre Teetasse wieder auf den Tisch neben ihrem
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