Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
nicht sagen«, erwiderte sie und schluckte ihre Enttäuschung hinunter. »Wir können es niemandem sagen. Ich fürchte, es ist alles ein bisschen komplizierter. Es ist mehr als nur mein schlechter Ruf.«
»Oh, meine Liebe, ein schlechter Ruf ist überhaupt nicht kompliziert«, versicherte Lady Kate ihr mit einer unbekümmerten Geste. »Tatsächlich ist es ganz leicht, sich einen schlechten Ruf einzuhandeln. Ich habe meinen zum Beispiel dadurch bekommen, dass ich Sally Jersey gesagt habe, sie sähe in Braunrot schrecklich aus. Als ich im Brunnen vor dem Carlton House mit nichts als einem dünnen Stoff bekleidet getanzt habe, war ich schon Schnee von gestern.«
»Das hier ist ernst, Lady Kate. Was ich Ihnen sagen werde, gefährdet Sie mehr als der Ruin.«
»Grundgütiger«, erwiderte Lady Kate fasziniert. »Was könnte schlimmer als der Ruin sein?«
Olivia hielt die Luft an. Ohne Gefühlsregung blickte sie ihre Freundin an. »Vaterlandsverrat.«
Kapitel 7
Lady Kate hob eine Augenbraue. »Sind Sie eine französische Spionin, Olivia?«
Olivia rang das irrationale Gefühl von Treulosigkeit nieder. »Es ist Jack.«
Lady Kates Teetasse fiel auf den Boden und rollte über den Teppich. » Jack? «
»Möglicherweise«, erwiderte Olivia ausweichend. »Ich habe es nicht geglaubt. Ich …«
»… sollte etwas erklären, bevor wir voreilige Rückschlüsse ziehen«, sagte Grace ruhig.
Lady Kate wirkte tatsächlich ein bisschen betreten. »Kein Wunder, dass ich Sie gebeten habe zu bleiben, Grace. Sie erinnern mich an meine guten Manieren.«
Sie hob ihre Tasse auf und ließ sich anmutig wieder auf das Damastsofa zurücksinken – der Inbegriff einer perfekten Duchess.
Olivia konzentrierte sich auf ihre Finger, die verschränkt in ihrem Schoß lagen. Die helle Haut hob sich gegen das praktische Grau ihres Kleides ab. So grau wie Graces Kleid. Genauso angemessen, nahm sie an.
»Als wir Jack draußen bei Hougoumont fanden …«, begann Olivia.
» Sie haben ihn gefunden?«, unterbrach Grace sie.
Olivia nickte und blickte Lady Kate an, in deren Hand die Zukunft aller lag. »Er trug das hier bei sich.«
Und bevor sie es sich anders überlegen konnte, griff sie in die Diplomatentasche und zog das zerknitterte Blatt Papier heraus, das sie darin gefunden hatte. Es war abgegriffen wie ein Liebesbrief.
Mit einem Stirnrunzeln nahm Kate das Papier entgegen. Die anderen warteten geduldig. Nur Olivia wusste, wie brisant die Nachricht war.
»Das ist … Französisch«, sagte Lady Kate. »Es richtet sich an jemanden namens General Grouchy. ›Dringen Sie umgehend bis Papelotte vor. Schieben Sie‹ … äh … ›es nicht auf. Ihr Kaiser befiehlt es Ihnen.‹« Sie riss die Augen auf und hielt das Papier in den Händen, als hätte es Feuer gefangen. »Es ist unterzeichnet mit ›N‹. Reden wir hier von dem ›N‹? Dem Kleinen, der erst kürzlich versucht hat, die Welt zu erobern?«
»Der Earl muss die Nachricht abgefangen haben«, sagte Grace und streckte die Hand aus, um den Brief mit eigenen Augen zu betrachten.
»Er trug eine französische Uniform«, platzte Olivia heraus.
Abrupt blickte Grace auf. »Was? Wer?«
Olivia tat ihr Bestes, um den ernsten Blick zu erwidern. »Jack.«
Lady Kate schien erstarrt zu sein. » Was? Sind Sie sich sicher?«
Olivia nickte. »Glauben Sie mir. Es war eindeutig.«
»Er trug eine rote Gardistenuniform, als wir ihn aufgenommen haben«, erklärte Grace, die aufgesprungen war. »Die Jacke und die Schärpe eines Captains.«
Olivia wollte die Augen gegen den Vorwurf verschließen, der in Graces Blick stand. »Ich habe ihm die Jacke ausgezogen und sie vertauscht.«
Sie erklärte, so gut es ging, was sie in den unglaublichen Momenten getan hatte, nachdem sie Jack gefunden hatte. Als sie die Empörung auf Graces freundlichem Gesicht bemerkte, wusste sie, dass sie es nicht anders verdient hatte. Sie fühlte sich schmutzig und klein angesichts des vorwurfsvollen Blicks dieser trauernden jungen Frau.
»Haben Sie gesehen, wie viele unserer Männer beim Château gefallen sind?«, wollte Grace wissen. Tränen schimmerten in ihren Augen. »Wie viele Verwundete noch unsere Hilfe benötigten?«
»Natürlich habe ich das. Doch er war so schlimm verwundet. Ich konnte nicht zulassen, dass jemand anders ihn findet, bis ich wusste, warum er …«
»Warum er sein Vaterland verraten hat?«, beendete Grace ihren Satz, starr und kalt.
Lady Kate erhob sich und legte eine Hand auf den Arm des Mädchens.
Weitere Kostenlose Bücher