Unvergessliches Verlangen: Roman (German Edition)
sah friedlich aus, als wäre er zufrieden mit der Arbeit, die er erledigt hatte.
»Er war ein großartiger Mensch, Lizzie«, erwiderte sie und lächelte.
Sie wartete, bis Lizzie die Stufen hinaufgegangen war, ehe sie Platz nahm. »Ich muss dir etwas sagen, Dad«, begann sie und ergriff seine kalte Hand. »Ich werde etwas tun, über das du empört wärst. Aber ich hoffe, du verstehst meine Beweggründe.«
Natürlich erwartete sie keine Antwort. Doch sie erzählte es ihm trotzdem: von den langen Stunden, in denen sie ihn gesucht hatten; von der Rolle, die Olivia Grace in der Sache gespielt hatte; von der Gefahr, die sie in der schicken Kutsche der Duchess mit zurückgebracht hatten; und von der Tatsache, dass Grace sich nicht von dem verwundeten Earl oder seiner geschiedenen Frau abwenden konnte, auch wenn er sich möglicherweise falsch verhalten hatte.
Grace hatte in ihrem rastlosen Leben keine Familie gehabt, eine richtige Familie. Die Harpers hatten ihr natürlich beigestanden, und die Männer aus der Truppe ihres Vaters hatten in ihr die kleine Schwester gesehen. Aber die Beziehung zu diesen jungen Männern war immer aus der Schlacht geboren und würde ihre Trennung von ihnen nicht überstehen.
Erst als die kleine Duchess sie aufgenommen hatte, hatte sie zum ersten Mal eine richtige Verbundenheit zu einem Menschen gespürt. Bis Olivia, die noch nie zuvor ein Schlachtfeld gesehen hatte, ihr Leben aufs Spiel gesetzt hatte, um ihr zu helfen.
Grace konnte den Gedanken nicht ertragen, sich jetzt abzuwenden und wieder allein zu sein. Ein feiger Gedanke, wie sie wusste. Ein Gedanke, über den der General gespottet hätte. War wochenlang allein, mein Mädchen. Was soll daran neu sein?
Was neu daran war, war, dass sie nicht mehr auf den Moment warten konnte, in dem er wie eine frische Brise durch die Vordertür geplatzt käme. Nie wieder hätte er seine lachenden, ringenden jungen Männer im Schlepptau, damit sie sie umsorgen und wenigsten für eine Weile glauben konnte, sie würden sie brauchen.
»Ich hoffe, du vergibst mir«, flüsterte sie und beugte sich vor, um ihm einen Abschiedskuss zu geben.
Olivia hätte damit rechnen müssen. Als sie sich schließlich hinlegte, zitterte sie vor Erschöpfung. Trotz der beruhigenden Wirkung von Mrs Harpers berühmtem Punsch fühlte sie sich zerschlagen und kraftlos. Ihre Gefühle wirbelten durcheinander. Alles, was sie in den letzten Tagen gesehen und getan hatte, verfolgt sie in den Schlaf. Irgendwann rollte sie sich auf die Seite und schob die Hände unter ihre Wange. Und da roch sie ihn wieder.
Jack. Als wäre es fünf Jahre früher und sie hätte gerade das Wunder der körperlichen Liebe entdeckt. Ihre Haut war heiß, ihr Herz stolperte, und ihre Brüste waren schwer und sehnten sich nach einer Berührung. Instinktiv kuschelte sie sich in seinen Duft, genoss ihn wie einen guten Cognac, als könnte das bloße Einatmen ihre aufgewühlten Sinne beruhigen.
Doch das Gegenteil war der Fall. Ihre Sinne waren wach. Von einer Sekunde auf die andere wurde ein Feuer in ihrem Körper entfacht und jeder Nerv stand in Flammen. Erinnerungen wurden zur Wirklichkeit, und sie fand sich in Wyndham Abbey wieder …
Jacks Haus. Ihr Haus, auch wenn sie es für eine weitere Woche nicht für sich allein haben würden. Die Abenddämmerung brach gerade herein, und sie stand in der dunklen Bibliothek und blickte hinaus auf die Terrasse, wo Jacks Familie zusammengekommen war. Die Mädchen spielten mit einem Federball. Ihre schrillen Schreie wurden von den dicken Glasscheiben der vertikal unterteilten Fenster gedämpft. Der Rest der Familie saß in Sesseln oder auf Decken auf dem Rasen und genoss die Wärme des Nachmittags.
Bis vor ein paar Minuten war sie mit ihnen da draußen gewesen und hatte ihr Bestes versucht, sich in eine Familie zu integrieren, die eigentlich nichts mit ihr zu tun haben wollte. Nun stand sie hier und fragte sich, wie ihr Leben in einer Woche aussehen würde. Sie fragte sich, ob sie endlich das Gefühl haben würde dazuzugehören. Überwältigt von ihrer Liebe zu Jack, hoffte und betete sie, dass das genügen würde, um sie durch die Schwierigkeiten zu bringen, die ganz sicher noch vor ihnen beiden lagen.
Sie nahm seinen Duft wahr, bevor sie Jack hörte. Zuerst ein Hauch von seinem Eau de Cologne, und im nächsten Moment trat er zu ihr. Nur Jack und diese besondere Mischung aus Hitze und Nacht und geheimem Verlangen. Sie lächelte, ohne sich umzudrehen. Ihr Körper
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