Unverkäuflich!
kam. »Egal, was heute passiert: Bleib in der Nähe des Telefons. Uli Hoeneß ruft dich an. Viel Glück.« Dann legte er auf.
War das ein Witz? Wollte er mich auf den Arm nehmen? Bayern München? In der Zeitung hatte ich gelesen, dass sich der Ersatztorwart der Bayern das Kreuzband gerissen hatte und monatelang ausfallen würde. Sie suchten Ersatz. Aber konnte das sein? Nach einigen Minuten der Schockstarre wurde ich nervös. Was war nun zu tun? Ich beschloss, meine T-Shirts zu waschen und zu bügeln. Alle Reiseutensilien griffbereit zu haben. Ich wusch meine Torwarthandschuhe und föhnte sie. Stunden vergingen. Es klingelte manchmal, aber das war nicht Hoeneß, sondern irgendwelche Frauen, die Dieter sprechen wollten. Ich wagte kaum, aufs Klo zu gehen, um bloß den Anruf nicht zu verpassen. Ich ging auf und ab, starrte das Telefon an, als wollte ich es mit Gedankenkraft zum Klingeln bringen.
Dann endlich: »Guten Tag, hier ist Uli Hoeneß«, hörte ich. »Jean-Marie hat dich empfohlen. Kannst du morgen zum Probetraining kommen?«
Ich konnte ihn kaum hören zwischen den pumpernden Schlägen meines Herzens, mein Mund war trocken, doch ich wollte souverän und weltmännisch wirken. Ich antwortete: »Gerne. Welchen Flieger soll ich nehmen?«
Es entstand eine Pause von einigen Sekunden. Hoeneß antwortete zuerst nicht, sondern atmete nur in den Hörer, vielleicht überlegte er, einfach aufzulegen.
»Nimm schön den Zug. Zwei Uhr bist du da«, sagte er, dann klickte es in der Leitung.
Ich schlief keine Minute in der folgenden Nacht und fuhr um halb fünf morgens mit meinem alten Golf los. Ich durfte nicht zu spät kommen. Wie ich nach München kam, kann ich gar nicht mehr sagen, ich fuhr wie in Trance. Ich hatte Angst, zu versagen. Dass die Bayern überhaupt angerufen hatten, grenzte an ein Wunder; es hatte etwas von der Geschichte des Barkeepers Vince Papale, der es 1976 aus einer Kneipe in den Kader des NFL-Teams Philadelphia Eagles geschafft hatte. Solche Wunder gibt es nicht oft und manchmal scheitern sie noch in letzter Sekunde. Kurz vor Trainingsbeginn sah ich in der Kabine all diese Gesichter, die ich aus dem Fernseher kannte: Matthäus, Augenthaler, Rummenigge, Dieter Hoeneß. Pfaff war nirgendwo zu sehen, niemand nahm Notiz von mir. Die Mannschaft versammelte sich auf dem Platz, Trainer Udo Lattek stellte mich mit knappen Worten vor: ein junger Typ, irgendwo empfohlen, spielt heute mal zur Probe mit, so etwas in der Art, es klang kühl. Willkommen in der Welt des Spitzenfußballs. Ich wollte das nicht so stehen lassen und ergriff das Wort.
»Also, hallo zusammen, mein Name ist Bobby Dekeyser, ich bin neunzehn und komme aus Belgien. Damit eines klar ist: Ich bin unschlagbar.«
»Ah ja«, kommentierte Udo Lattek. Die Spieler warfen sich Blicke zu, als sie zur ersten Runde um den Platz lostrabten. Ich begann mich zu dehnen und legte erst mal einen Spagat hin, um zu demonstrieren, wie es um meine Beweglichkeit bestellt war. Eine Fußballmannschaft funktioniert so ähnlich wie ein Hunderudel, mit klar strukturierten Beißordnungen und Alphatieren. Ein Welpe hält sich besser zurück – doch das war nicht mein Stil. Ich brüllte im Trainingsspiel über den Platz und dirigierte die Stars, als sei das selbstverständlich: »Auge, nach hinten!« Dass ich den gerade von einer Kopfverletzung genesenen Dieter Hoeneß bei einer Faustabwehr am Schädel traf, hinterließ gewiss auch Eindruck, vor allem bei Hoeneß, der beinahe ausflippte. Angst gibt Energie. Vollgepumpt mit Adrenalin spielte ich, so gut es ging. Nach dem Training teilte mir ein Mannschaftsbetreuer mit, dass ich zwei Wochen bleiben dürfe. Ich bezog ein Zimmer auf dem Vereinsgelände. Nach drei Tagen Training hörte ich im Vorübergehen, wie Hoeneß einem Boulevardreporter zuraunte: »Dieser junge Belgier ist so gut, dass er auch spielen könnte.« Die Dinge entwickelten sich und ich erfuhr später, dass sich selbst die altgedienten Profis über meinen Ehrgeiz und meine Verbissenheit wunderten. Ich galt als Spinner, aber als einer, der seine Aufgabe hundertprozentig erfüllte.
Zwei Wochen und viele Paraden, Muskelkater, Vitamintabletten, Dehnübungen und Hechtsprünge später lag ich mit Klaus Augenthaler im Entmüdungsbecken. Das Wasser dampfte, man hörte das Zischen der Duschen in den Nebenräumen. »Auge«, wie ihn alle nannten, Abwehrchef und ein Oberköter in diesem Rudel, hatte die Augen geschlossen.
Ich fragte ihn: »Klaus, meinste, das wird
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