Unverkäuflich!
was?«
Er antwortete, ohne sich einen Nanometer zu bewegen oder die Augen zu öffnen: »Hast den Vertrag.«
Ich sah nicht hin, welche Summe auf dem Papier stand, das ich im Büro von Uli Hoeneß unterschrieb (es war das Gehalt eines Bankdirektors). Ich hatte einen Vertrag bei Bayern München. Einen Dienstwagen von BMW, eine schöne Dienstwohnung, Dienstanzüge aus der Kollektion eines bekannten Herrenausstatters sowie eine handgenähte Dienstlederhose. Ich war Torwart bei Bayern München. Ich war eine Sensation. Am nächsten Tag fuhr das belgische Fernsehen mit einem Übertragungswagen auf dem Parkplatz vor.
Das Märchen arbeitete auf allen Zylindern.
Drei
EIN MANISCHER MÖNCH
W enige Jahre zuvor war ich noch im Zugklo nach München gefahren, um mein Idol Sepp Maier zu sehen, und nun trug ich selbst das Trikot des FC Bayern München. Nun war mein Autogramm gefragt und es gab Fans, die extra aus Belgien anreisten. Ich konnte das alles nicht richtig begreifen und setzte mich ins Auto – den rostigen Golf, noch nicht den neuen Dienst-BMW – , um zur Entspannung ziellos durch die Stadt zu kurven. Ich schrie am Steuer vor Begeisterung, die Emotionen mussten irgendwie raus. Ich war überfordert. Das war 1986, als der Fußball noch nicht die Bedeutung als größter gemeinsamer Nenner hatte, der von Medien, Politik und Industrie als sozialer Kitt benutzt wird. Wie es heutzutage für manchen jungen Bundesligaspieler sein muss, von den Medien zum Superstar hochgejubelt zu werden, mag ich mir gar nicht ausmalen. Staunend tastete ich mich durch eine neue Welt: Statt belgischer Zweitliga nun Europapokal der Landesmeister, statt Boom FC nun Hamburger SV, statt langer Fahrten über belgische Autobahnen nun Flüge im Charterjet. Stadien, Kameras, Reporter, Limousinen, Frauen, ein funkelndes Jetsetleben. Ich trainierte noch immer wie ein manischer Mönch und blieb in der Mannschaft ein Außenseiter. Einziger Freund in der Mannschaft wurde (neben Jean-Marie Pfaff) Hansi Flick, der seinerzeit im Ruf stand, die beeindruckendsten Waden der Liga zu haben. Unsere Freundschaft hat bis heute gehalten und wir verbringen sooft es geht mit unseren Familien Zeit und treiben Sport.
Was in einer Fußballkabine geschieht, bleibt in einer Fußballkabine, und ich werde keine Geheimnisse verraten, schon gar nicht die schmutzigen. Manche Eskapaden, die heute tagelang die Titelseiten der Boulevardpresse bestimmen würden, waren damals noch in aller Öffentlichkeit möglich, weil es niemand wagte, darüber zu berichten. Man musste schon betrunken von der Bank fallen oder eine Halbzeit früher abpfeifen, um aufzufallen. Einige Mitspieler bevorzugten stärkere Getränke, ich blieb bei Kalziumtabletten und Vitamindrinks. Bayern München dominierte die Bundesliga nach Belieben, wir wurden Meister und Pokalsieger. Meine Rolle beschränkte sich allerdings darauf, die Ersatzbank zu drücken. Ich merkte, dass meine Ungeduld wuchs (meine Ungeduld wuchs damals schnell). Ich mochte schon in der Schule nicht auf der Bank sitzen – aber es gab keine Chance, am großen Pfaff vorbeizukommen. Ich reagierte darauf, indem ich noch mehr trainierte, noch härter, nach beinahe irrsinnigen Plänen. Unser Konditionstrainer Egon Cordes trug den Branchennamen »Schleifer«, aber nachdem er mit uns fertig war, machte ich heimlich weiter, notfalls im Hotelzimmer. Die Mitspieler hielten mich für einen Spinner. Zum ersten Mal vor achtzigtausend Zuschauern in ein Stadion einzulaufen, ist ein Erlebnis, für das man als Spieler Geld bezahlen sollte. Es gibt wenig schönere Dinge für einen Sportler. Mein erstes Mal war in Belgrad, ein Freundschaftsspiel gegen Roter Stern, in dem ich Pfaff vertrat, der mit der Nationalmannschaft in Mexiko unterwegs war. Wir spielten Turniere in Madrid, in Barcelona, in Hongkong, in Malaysia. Im DFB-Pokal lief ich in Düsseldorf auf, ein Spiel, das nicht unbedingt im Kapitel »Glorreich« in die Geschichtsbücher des FC Bayern einging. Wir verloren 0 : 3 an einem kalten, tristen Abend im Rheinstadion, wobei ich bei keinem der Gegentreffer irgendetwas verhindern konnte.
Rückblickend muss ich sagen, dass Bayern München zu früh für mich kam. Ich war noch nicht reif, nicht reif für den Druck, für diese Parallelwelt. Zu früh zu viele Möglichkeiten zu haben, das ist auch nicht gut. Man verliert das Wesentliche aus den Augen, wenn man hofiert wird, von allen Problemen des Alltags befreit, wenn einem alles gegeben wird.
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