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Unverkäuflich!

Unverkäuflich!

Titel: Unverkäuflich! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bobby Dekeyser
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Anwalt, um wenigstens ein paar Mark zurückzubekommen. In Wahrheit waren wir nun pleite, und den Kaufvertrag für das neue Haus hatte ich bereits unterschrieben. Wie sollte ich die Summe überweisen? Ich hatte keinen Schimmer, doch ich beruhigte mich. Sechs Monate blieben. Ich liebe solche Momente. Ich liebe Krisen. Sie geben mir Energie, ich kann mich spüren, wenn die Lage aussichtslos erscheint. Es soll nicht der Eindruck entstehen, als schüttele ich Enttäuschungen ab wie ein Hund einen lästigen Floh. Mich treffen diese Niederlagen, sie treffen mich sogar ins Mark, weil ich oft versuche, neben einer geschäftlichen auch eine persönliche Beziehung aufzubauen, aber ich lasse nicht zu, dass mich die trüben Gedanken runterziehen. Ich baue eine Schutzmauer in mir auf, an der Probleme abprallen.
    Der Winter war kalt in diesem Jahr, so kalt, dass in Hamburg die Alster zufror, und in einer Nacht, als wir mit den Kindern in der Ruine des Nebengebäudes schliefen  – ohne Heizung, nur mit einem provisorischen Heizlüfter  – , zeigte das Thermometer fünfzehn Grad Celsius unter null. Die Bauarbeiten kamen nur langsam voran, doch Handwerker konnten wir uns nicht leisten. Wir verlegten mehr als fünfhundert Quadratmeter Dielenboden, wobei wir für eine Diele fast eine Stunde brauchten. Auf dem Grundstück türmten sich Bretterberge, die nicht kleiner zu werden schienen; wir wuchteten vermodertes Heu von einem Dachboden. Der Sand auf dem Hof gefror zu Klumpen. Wir schleppten die schweren Schleifmaschinen, putzten, bohrten, sägten, hämmerten. Wochen aus Staub, Lärm, harter Arbeit, wir machten immer weiter, gestatteten uns keinen Zweifel und keinen Gedanken ans Scheitern. Abends lasen wir den Kindern an ihren Betten Geschichten vor und schliefen dabei selbst vor Erschöpfung ein. Zu siebt schliefen wir in zwei Zimmern. Es war eine extreme Zeit, wir standen unter enormem Druck. Oft setzte ich mich nach dem Tag auf der Baustelle, wenn die Kinder versorgt waren, in den Ducato und fuhr Richtung Höhenkirchen, um das Lager in den Norden zu holen. Wie oft ich in diesen Monaten hin- und hergefahren bin und wie viele tausend Kilometer ich auf der Autobahn verbrachte  – ich weiß es nicht. Manchmal sah ich vor Erschöpfung Gespenster am Steuer, musste rechts ranfahren und schlief hinter dem Lenkrad ein.
    Geld musste reinkommen, und zwar schnell. Ich rief Warenhäuser an, steuerte jeden größeren Möbelhändler an, der mir in den Sinn kam, übernachtete im Showroom von Höhenkirchen, wenn die vage Aussicht auf einen Kundenbesuch bestand. Es war mühsam, ein Kampf um jeden Stuhl. Zu einem Verkaufsschlager entwickelte sich neben den Bastgiraffen auch das Modell einer Zimmerpalme, mit Goldimitat überzogen, ästhetisch ein Hieb in den Magen. Einen Aquariumstisch, der vielversprechenden Absatz fand, nahm ich wieder aus dem Programm, weil nach kurzer Zeit viele Fische auf dem Rücken schwammen. Ich fühlte mich an manchen Tagen wie einer dieser Fische, aber immer dann, wenn die Situation ausweglos zu sein schien, gab es neue Hoffnung. Einmal kam ein Dekorateur aus Stuttgart vorbei, mitten in der Nacht, weil er anders keine Zeit in seinem Terminkalender fand, und kaufte Ware im Wert von zweihunderttausend Mark. Auch die Arbeit auf der Baustelle, die unser Zuhause war, ging voran, und die Kinder freuten sich über ihr neues Zimmer auf dem Dachboden. Für den Firmensitz hatten wir den ehemaligen Hühnerstall ausgewählt. Vom Kuhstall ins Hühnerhaus, das passte doch. Der Umzug war unumstößlich, die Kinder in der Schule angemeldet, alles organisiert. Wir standen kurz vor der Pleite, ganz kurz vor der Pleite. Ich fuhr Richtung Höhenkirchen, bog aber ab und ging am Schliersee wandern, eine große Runde durch die Hügel. Als ich zurückkam, rief ich den Banker in München an, der schon einmal ein Haus für uns finanziert hatte. Es sei sehr dringend, sagte ich und drängte auf einen Termin, bis er nachgab. Ich habe zwei Stunden lang geredet, ihn kaum zu Wort kommen lassen, ich habe von den Zukunftsaussichten erzählt, von den Plänen, der Faser, meiner Familie, vom Wohnzimmer für draußen. Er sah mich schweigend an, ich fürchtete schon, er sei eingeschlafen. Irgendwann stand er auf, gab mir die Hand und sagte: »Geht in Ordnung.« Dass im Kreditvertrag zwölf Prozent Zinsen aufgerufen wurden, interessierte mich nicht. Wir hatten Zeit gewonnen.

    Die Großfamilie schuftet, um den Traum vom Resthof Wirklichkeit werden zu lassen.

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