Unverkäuflich!
in ein Abendkleid, zog einen Smoking an und bat zum Fototermin. Maxi war so schwer, dass die Couch zu unserer Erheiterung beinahe kippte – ein fröhliches Bild, das jede Münchner Zeitung mit Hinweis auf meine neue Laufbahn gerne druckte. Damit nicht genug, brachte ich einen Opernsänger ins Spiel. Weil es schwierig war, die Aufmerksamkeit der Möbelhändler zu bekommen, überhaupt einen Termin, um uns vorzustellen, heuerte ich einen Tenor für einen Stundenlohn von fünfzig Mark an. Ein weißer Frack war inklusive, und ausgerechnet im »Wunderhaus«, in dem die »Schickeria« gerne einkaufte, erzielte er mit seiner Interpretation von O sole mio einen grandiosen Erfolg. Die Inhaberin, eine ansonsten beherrschte Dame, berichtete gerührt von ihrer Liebe zur klassischen Musik und darüber, dass auch ihr Mann mal gesungen habe. Fortan waren wir im »Wunderhaus« vertreten.
Sorgen bereitete mir die Qualität der »Classic«-Reihe, denn die Stühle taugten höchstens als Requisite für Slapstickfilme. Mancher, der darauf Platz nahm, landete unsanft auf dem Hosenboden. Ein Industrieller aus einem sehr vornehmen Münchner Vorort hatte sich so oft beschwert, dass ich zusagte, die komplette Lieferung auszutauschen. Seppi und ich fuhren in unserem rostigen Fiat Ducato vor. Ich klingelte am Portal der Villa, eine junge Frau öffnete die Tür, hinter ihr stand ein älterer Herr in der Eingangshalle. »Wie schön, dass Ihr Vater heute auch da ist«, bemerkte ich.
»Was fällt Ihnen ein? Das ist mein Mann!«, zischte die Frau, weshalb ich mich dann besonders beeilte, die Möbel auszuladen. Wie ich mit einem Blick sah, hatten unsere Stühle dunkle Rostflecken auf den Marmorfliesen der Terrasse hinterlassen. Seppi setzte den Ducato zurück – und kollidierte, weil ich zu spät »Stopp!« rief, mit einer Marmorsäule, auf der eine Büste stand. Säule und Büste wackelten, um dann mit Getöse auf die Fliesen zu krachen. Mit vereinten Kräften gelang es uns, den Kopf – er gehörte irgendeinem griechischen Gott – zurück auf seine Position zu wuchten. Diesem Gott fehlte nun die Nase, und wie wir so zwischen Marmorscherben, Rostflecken und Nasenresten standen, beschlossen wir, auf die Quittierung des Lieferscheins zu verzichten. Mit Vollgas brausten wir davon.
Meine Schwester Sonja hatte aus ihrem Urlaub auf Madagaskar zwei Giraffen mitgebracht, etwa schulterhoch, gelb und schwarz, aus Bast. Zur nächsten Messe in Frankfurt nahm ich sie mit, um Kosten für die Dekoration zu sparen. Unsere Möbel interessierten noch immer kaum jemanden – die Bastgiraffen hingegen schon. »Kann man diese Giraffen kaufen? Wo gibt es die?«, wurde ich dutzende Male gefragt. Zurück in Höhenkirchen begann ich sofort mit der Suche nach einem Händler in Afrika. Alle wollen Bastgiraffen? Alle sollen Bastgiraffen bekommen! Wenig später traf die erste Lieferung von mehr als fünfhundert Exemplaren ein, und was nun geschah, ist eines der Bonmots der Globalisierung. Ich engagierte alle Hausfrauen im Dorf, um die Giraffen anzumalen, und ein umgebauter Kuhstall in Höhenkirchen, Bayern, wurde für die nächsten Monate zu einem Zentrum für afrikanische Kleinkunst. Die Nachfrage wuchs rasant – wir verkauften mehrere tausend Stück – , was uns nicht nur den Lebensunterhalt sicherte, sondern sogar Spielraum für neue Investitionen ließ.
Ich wünsche seither jedem, dass er in kritischen Momenten eine Bastgiraffe findet.
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Der erste Verkaufsschlager von Dedon. Nein, nicht das Möbelstück. Die Bastgiraffen!
Ich träumte von einem großen Haus mit vielen Zimmern, Ann-Kathrin von einem Garten, die Kinder von einem Pony, die Tante von einer Küche mit langem Tisch in der Mitte. Unsere Doppelhaushälfte in Dürrnhaar erschien uns nun so eng wie nie zuvor. Es war an der Zeit, dass sich etwas änderte, so empfanden wir alle. Wir studierten in den nächsten Wochen die Immobilienpreise, doch es war eine Lektüre, die wenig Freude bereitete: Im Münchner Umland war nichts zu finden, was wir uns leisten konnten, außer einem Reihenhaus. Wenige Wochen später flog ich wieder nach Asien. Kurz vor dem Check-in kaufte ich eine Zeitschrift namens Bellevue , die so etwas wie das Zentralorgan aller Immobilienmakler ist. Ich studierte die Anzeigen und sah ein Haus, wie ich es mir vorstellte: ein alter Bauernhof nahe Hamburg, ein großes Haus auf noch größerem Grund, mit mehreren Nebengebäuden, renovierungsbedürftig zwar, aber das sollte kein
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