Unverkäuflich!
im Halbschlaf, so müde war ich. »Cebu, wo ist das?«, fragte sie mich. Ja, wo ist das eigentlich?
Acht Wochen später standen wir mit unseren drei kleinen Kindern und vier großen Koffern auf dem Platz vor dem Flughafen von Cebu, einer Insel mitten im Archipel der Philippinen, wie in einer schützenden Bucht gelegen. Ich war schon alleine nach Asien gereist, sechs Tage nach dem Besuch in Köln, mit einer siebenundvierzig Kilo schweren Rolle Kunstfaser im Gepäck. Es gab ein Potpourri von Problemen, als wir die Arbeit an den Möbeln aufnahmen. Die Flechter kamen mit dem Material, das ihnen damals noch in die Finger schnitt wie die scharfe Kante eines Stück Papiers, nicht klar. Wir mussten daran arbeiten, aber auch an der Flechttechnik. Dafür musste ich auf die Philippinen ziehen, keine Frage, und nach einer kurzen Beratung mit Ann-Kathrin entschieden wir, dass wir alle gemeinsam gehen wollten. Ich mochte nicht lange von ihr und den Kindern getrennt sein und wir hatten davon geträumt, einige Zeit gemeinsam im Ausland zu verbringen. Das Leben in den Tropen bot natürlich viele neue Erfahrungen für uns, ganz anders als der Osten Münchens, aber wir fühlten uns sofort wohl. Wegen der Herzlichkeit, mit der wir empfangen wurden, wegen der Liebenswürdigkeit der Cebuaner. Wenn wir mit dem Pick-up-Truck an der Tankstelle hielten, eilten die Menschen herbei, um unsere Kinder zu bestaunen und ihre blonden Haare zu streicheln. Das Lachen der Leute macht bis heute einen großen Eindruck auf mich, ihre Fröhlichkeit, ihre Lebenslust, trotz der größten Widrigkeiten, im Angesicht von bitterster Armut und Alltagssituationen, die aus unserer Sicht scheinbar kaum zu meistern sind. Vom ersten Tag auf Cebu an hatte ich auch das Gefühl, vieles lernen zu können. Wir bezogen eine Wohnung in dem Stadtteil, der wohlhabenden Besuchern aus Europa und den USA vorbehalten ist, aber kein Luxusapartment, das konnten wir uns nicht leisten. Es gab keine Klimaanlage in unserer Wohnung, und besonders in den Nächten schwitzten wir. Unsere Haustiere waren Geckos, die uns Insekten und Ungeziefer vom Leibe hielten; für die Frösche, die im Garten und im Pool wohnten, konnte sich Ann-Kathrin (im Gegensatz zu den Kindern) nicht begeistern. Freunde daheim fürchteten, dass wir uns mit Krankheiten infizieren könnten, und sorgten sich vor allem um die Kinder. Anfangs achteten wir noch darauf, nur abgekochtes Wasser zu trinken, auf Eiswürfel in Getränken zu verzichten oder keine Snacks am Wegesrand zu essen. Nach wenigen Tagen aber waren solche Vorsichtsmaßnahmen vergessen, ohne dass jemand sich den Magen verstimmte. Ich selbst hatte auf sämtliche Schutzimpfungen verzichtet. Keiner von uns wurde krank. Nur einen Schnupfen fingen wir uns gelegentlich ein, wegen zu kalt eingestellter Klimaanlagen im Supermarkt. Wir verbrachten die Tage in Mannis Produktionshallen und zeichneten Skizzen für unsere erste Kollektion, die wir unbescheiden »Classic« nannten. Nachts telefonierte ich mit Händlern in den USA oder Europa, um die Dedon-Faser zu verkaufen. Von etwas mussten wir leben. Vom Anspruch, Stil zu haben und Eleganz, waren unsere Möbel so weit entfernt wie Dürrnhaar von Beverly Hills.
Nach sechs Monaten kehrten wir aus Asien nach Bayern zurück, um mit unserem neuen Möbel für Furore zu sorgen. Mit dem Musterstuhl aus der »Classic«-Serie fuhr ich zu Restaurants und zu einer Brauerei im Nachbardorf, ich besuchte jeden, der als Kunde infrage kam. Von mäßigem Erfolg zu sprechen, wäre eine maßlose Übertreibung. Niemand wollte den Stuhl haben, nicht als Kommissionsware, nicht als Geschenk. Eines hatte ich in der Zeit als Fußballer gelernt: das Fokussieren auf ein Ziel. Durchhalten, nicht aufgeben, auch wenn das Spiel gegen einen läuft. Ich ließ nichts unversucht, und wenn ich »nichts unversucht« sage, meine ich das auch so. Seinerzeit lief im Privatfernsehen eine Show namens Der Preis ist heiß mit einem fülligen Holländer namens Harry Wijnvoord, von dem ich wusste, dass er ein Fan von 1860 München war. Ich schrieb ihm einen Brief und fortan wurde eine Couch aus der »Classic«-Serie als heißer Preis angeboten, im Gegenzug dafür, dass Harry den Namen »Dedon« nuschelte. Wer heute unsere mehrseitigen Fotostrecken in Zeitschriften wie Vogue oder AD anschaut, denkt nicht unbedingt an RTL und Harry Wijnvoord. Auch in einem anderen Fall half mir meine Popularität in Fankreisen. Ich steckte Maxi, eine füllige Dame aus der Fankurve,
Weitere Kostenlose Bücher