Unverkäuflich!
und jeden Cent immer wieder in die Firma investiert. Ich kenne keinen Unternehmer, der das anders macht, weshalb mir für Neiddebatten jedes Verständnis fehlt. Nun kaufte ich mir – obwohl ich mit Sportwagen eigentlich nichts anfangen kann und die meisten modernen Autos hässlich und langweilig finde – einen neuen Aston Martin, einen anthrazitfarbenen DB9. Seine Seitenlinie ist ein optischer Genuss und ich war so versessen auf den Wagen, dass ich keinen Tag darauf warten wollte. Um die Warteliste der Interessenten zu überspringen, bezahlte ich bar. Der Verkäufer versicherte mir, dass der Wagen, sollte er mir eines fernen Tages nicht mehr gefallen, absolut wertstabil sei. Ich besaß einen fabrikneuen Aston Martin, doch schon früh am nächsten Morgen schämte ich mich dafür. Der Wagen war so laut, dass ich fürchtete, das ganze Dorf aufzuwecken, als ich von der Auffahrt rollte. Unsere Labrador-Retriever-Dame Anouschka, die mich oft begleitet, fand im Fußraum vor dem Beifahrersitz nicht genügend Raum und kam auch im engen Schalensitz nicht klar. Der Hund gab unzufriedene Grunzlaute von sich. »So ein Mist«, dachte ich, sehnte mich nach meinem roten Pick-up, und es wurde nicht besser, als ich einen Geschäftspartner am Flughafen abholte. Mein Besucher hatte überraschenderweise einen leitenden Mitarbeiter mitgebracht, dazu zwei große Koffer. Auf der Autobahn fuhr ich nicht schneller als Tempo hundert, weil ich so nahe am Lenkrad saß, dass ich es kaum bewegen konnte, und es muss skurril ausgesehen haben, wie wir, eingepfercht zwischen Gepäck und einem irritierten Hund, in Volkstorf einrollten. Schon nach einem Tag ging mir der Wagen auf die Nerven. Ich stellte ihn auf den Firmenparkplatz und gab die Schlüssel am Empfang ab. Jeder Mitarbeiter konnte ihn sich am Wochenende, oder wann immer er wollte, leihen, solange er wieder betankt wurde. Bald fiel mir auf, dass der Wagen nie den Stellplatz wechselte. Erklärung: Der Tank war leer und niemand wusste, wie man den Deckel öffnete. Ich beschloss, meinen Superkauf wieder zum Händler zu bringen; ein Rückkauf sollte angesichts der langen Warteliste und der wenigen gefahrenen Kilometer kein Problem sein, dachte ich. Es dauerte mehrere Monate, bis sich ein Käufer fand – offensichtlich war der Leidensdruck der anderen Wartenden auf der Liste doch nicht sonderlich groß – , und der Verkäufer eröffnete mir, dass der Wertverlust leider immens sei. Erinnerungen an die Wertstabilität oder die kluge Investition perlten an ihm ab wie Volkstorfer Nieselregen an unserer Faser. Ich mochte nicht diskutieren. Langweilige Gespräche mit langweiligen Menschen langweilen mich. Es war der erste und der letzte Sportwagen, den ich kaufte.
Seltsam ist nur: Wenn eine Zeitung ein Porträt über mich druckt, taucht diese Episode jedes Mal auf. Der Mann, der seinen Aston Martin mit den Mitarbeitern teilt. Ich frage mich: Ist das so besonders? Ich denke, es gibt interessantere Themen als ein unpraktisches Fortbewegungsmittel. Erfolg bemisst sich für mich nicht an etwas Materiellem. Erfolg bedeutet für mich: Sich selbst treu zu bleiben, keinen Versuchungen zu unterliegen, unverkäuflich zu sein. Erfolg ist, ein liebevoller Partner zu sein, ein guter Vater, ein echter Freund. Erfolg haben, das meint ein soziales Bewusstsein zu leben, sich immer wieder Zeit nehmen zu können, sich selbst zu prüfen und zu reflektieren. Erfolg ist nur vordergründig mit einem Kontoauszug messbar. Ich fürchte, dass vor allem Jugendlichen ein falsches Bewusstsein eingeimpft wird, Tag für Tag, mit Werbebotschaften und Kaufanreizen. Immer sind sie weit entfernt von ihrem Ziel, dem Auto, dem Haus, der luxuriösen Reise, nie können sie wirklich mithalten. Selbst mit dem eigenen Körper darf man niemals zufrieden sein. Wie soll jemand unter einem solchen Dauerdruck glücklich werden? Ich möchte nicht als moralinsaurer Mahner erscheinen, aber mir kommt es so vor, als ob immer mehr TV-Sendungen und Magazine produziert werden, die keine Sekunde Lebenszeit und keine Seite Papier wert sind. In denen andere Menschen vor Millionen der Lächerlichkeit preisgegeben werden oder ihre Identität auf die Präsentation von Schlüsselreizen reduzieren lassen. Jemand, der sich selbst hinterfragt? Der Zweifel zeigt und Schwächen zugibt? Loser, heißt es dann, Verlierer! Der Weg zum Erfolg muss ein planierter Weg sein, wenn man den Predigern dieses Schwachsinns folgt.
Macht Konsum glücklich? Ich finde:
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