Unverkäuflich!
nein, und will das an einem einfachen Beispiel erklären. Schon zu meiner Zeit als Fußballprofi fragte ich mich manchmal im Stadion: Haben die Leute nichts Besseres zu tun? Eine Familie kann am Wochenende mit dem Ball in den Park oder auf die Dorfwiese gehen. Man spielt, lacht, verbringt Zeit miteinander, hält sich fit und wird Energie los, ohne einen einzigen Euro auszugeben. Stattdessen schieben sich immer mehr Menschen in langen Staus in Stadien, sind gestresst, geben immer mehr Geld für Eintrittskarten, für Bier, Wurst und Parkplätze aus, um Spielern zuzusehen, die überbezahlt sind und wenig bis nichts mit dem Verein verbindet, in dessen Farben sie auflaufen. Meist sehen sie ein ödes Gekicke. Sie grölen, klatschen und pfeifen ein bisschen und glauben, das wäre »Miteinander«, bevor es wieder mit dem Massenstrom zur großen Autosuche auf den Parkplatz geht, zurück in den Dauerstau. Ist das Unternehmungslust? Macht das wirklich Spaß? Oder anders gefragt: Kennen Sie jemanden, der glücklicher ist als ein Spaziergänger, der nach einer langen Runde mit seinem Hund heimkehrt? Es gibt so viele Möglichkeiten, das eigene Verhalten zu ändern. Gemeinsam mit den Kindern oder der Familie kochen, statt ins Restaurant zu gehen, das Fahrrad nehmen, statt im Auto durch die Gegend zu fahren, ein Buch lesen, statt sich vom Fernseher berieseln zu lassen. Jeder weiß doch, was wirklich wichtig ist. Sich regelmäßig zu hinterfragen, eine regelmäßige kleine Plus-und-Minus-Liste zu erstellen, ändert mehr als jede teure Anschaffung. Ich bin überzeugt: Es lohnt sich, für seine tägliche Balance aktiv zu werden.
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Wie schädlich es ist, wenn das eigene Gleichgewicht in eine Schieflage gerät, habe ich selbst erfahren. Unsere Firma eilte von einem Rekord zum nächsten, sie wuchs auf mehr als dreitausend Angestellte und der Umsatz schoss weiter in die Höhe, aber ich kam überhaupt nicht mehr zur Ruhe. Zwar flogen wir nun in der Business Class, ohne dafür Bänderrisse vortäuschen zu müssen, zwar aßen wir nun mehrgängige Menüs in den Restaurants, in denen wir uns früher an den Vorspeisen satt gegessen hatten, doch ein persönlicher Frieden stellte sich nicht ein. Im Gegenteil: Ich fühlte mich immer mehr wie ein Getriebener, ein Gejagter, der mit der Furcht klarkommen musste, mit einer Fehlentscheidung in das Leben so vieler einzugreifen. In keiner Minute hörte das Kino in meinem Kopf auf zu spielen: Wer war der modernste Designer? Welches Möbel hatte Potenzial zum Erfolg? Wann eröffnete der nächste Showroom? Was musste ich tun, um den Großimporteur zufriedenzustellen? Ich eilte von einer Messe zur nächsten und weiter zur Produktion auf Cebu und ins nächste Meeting irgendwo zwischen Hongkong, Cebu, Mailand, New York, Lüneburg und wieder zurück und merkte, wie der Lebensstil aus Flugzeugen, verschiedenen Zeitzonen, langen Arbeitstagen und wenig Schlaf meinen Körper auszehrte. Und auch meinen Geist. Ich war müde und ich fühlte mich ständig erschöpft. Namen von Geschäftspartnern, von deren Ehepartnern, Kindergeburtstage im Freundeskreis – solche Kleinigkeiten, die im Miteinander wichtig sind, fielen mir nicht mehr ein. Ich fürchtete, keine Luft zu bekommen, und überlegte sogar, einen Mediziner und einen Yogatrainer einzustellen, die immer in meiner Nähe waren. Ich fürchtete, nicht mehr lange durchzuhalten und eines Tages einfach umzukippen.
In der Wahrnehmung der Öffentlichkeit eilten wir weiter von einem Erfolg zum nächsten, was auch an der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland lag. Oliver Bierhoff, der Manager der Nationalelf, hatte uns in Lüneburg besucht und beim Kickerspiel waren wir übereingekommen, dass wir das Quartier des Nationalteams, ein Luxushotel im Berliner Grunewald, mit unseren Möbeln ausrüsteten. Vor allem im Garten, in einem Bereich, in dem die Spieler ausruhen konnten, standen unsere Sofainseln bereit. Die Mannschaft spielte mitreißend, der Sommer war einfach herrlich – und wir wurden Teil des »Sommermärchens«. Ein Foto von Lukas Podolski und Sebastian Schweinsteiger, die nach einem Sieg in unserem »Orbit« liegen und lachen, zierte beinahe alle deutschen Titelseiten. Ich trieb jeden Tag Sport, lief lange Kilometer oder spielte Fußball und zog mich, wenn sich die Gelegenheit bot, in die Natur zurück. Ich ging im Wald, am Strand oder in den Bergen spazieren. Doch ich merkte, wie meine Kraft nachließ, wie Jahrzehnte unter Höchstspannung ihren Tribut
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