Unverkäuflich!
fürchtete, dass die Dinge außer Kontrolle gerieten, weil wir so rasch wuchsen, dass selbst ich, der gerne im Schnelldurchlauf vorwärtsgeht, kaum noch hinterherkam. Auch gesundheitlich ging es mir schlecht. Ich kam kaum noch zur Ruhe. Meine Familie, meine Vertrauten wussten davon, sonst niemand. Ein Unternehmer muss manchmal auch Schauspieler sein, und es ist nicht meine Art, Probleme nach außen zu tragen. Wer sollte mir schon helfen? Was würde sich ändern, wenn ich andere mit meinen Problemen – die von außen betrachtet vielleicht kaum als Probleme erschienen – belästigte? Nach außen war ich der dynamische, optimistische, immer gut gelaunte Bobby. Wie es in mir drinnen aussah, war eine ganz andere Geschichte. Als die Private-Equity-Firma mit Sitz in Boston und London anrief und wir die ersten Gespräche vereinbarten, zunächst in Hamburg, dann mehrmals in Barcelona, hatte ich ein gutes Grundgefühl. Ich bildete mir ein, dass sie die Philosophie von Dedon verstanden hatten, dass es ihnen nicht nur um möglichst rasche Gewinnmaximierung ging, sondern mittel- und langfristig darum, eine Luxusmarke im Weltmarkt zu etablieren. Zu den Regeln, die wir aufgestellt hatten. Mit ihren Finanzmitteln – und auch mit ihrer Erfahrung im Management – sollte dies gelingen. Der Einstieg der Investoren, die einen Minderheitenanteil erwerben wollten, konnte die Firma stärken, er konnte uns helfen, mit der Entwicklung Schritt zu halten. Auf dieser Welle, die über uns hereingebrochen war, zu reiten. Und ich fand auch, dass es an der Zeit war, nun das Ergebnis vieler Jahre harter Arbeit einzufahren. Nicht mehr mit dem Wissen leben zu müssen, dass jede Fehlentscheidung auch den finanziellen Ruin der Familie bedeuten konnte. Wir waren des ewigen Kampfes müde. Wir wollten unsere Ruhe, anders leben und arbeiten. Die Anfrage der Anleger kam scheinbar genau richtig.
Ein Stück Freiheit: Bobby Dekeyser unterwegs auf dem Wasser.
»Die Zeit am Genfersee war die glücklichste in unserem Leben«, sagt er.
In der eigenen Verwandtschaft habe ich gesehen, dass Familien unter dem Druck einer Firma zerstört werden können. Als ich ein Kind war, kam es daheim oft zu Streitigkeiten, die mich lange beschäftigten. Ich hatte mir vorgenommen, dass sich dies nicht wiederholen sollte. Für viele Unternehmer bedeutet eine Firma einen Teil ihrer Identität. Für viele ist sie wie ein Kind, von dem sie sich nicht trennen können, selbst dann nicht, wenn ihnen der Verstand rät, es zu tun. Ihr Ego will die Firma, über die sie sich definieren, nicht aufgeben. Für mich ist das nicht so. Natürlich ist Dedon das Ergebnis unserer Leidenschaft, unserer Hingabe, Risikobereitschaft, wie immer man es nennen will. Aber ich habe kein Problem damit, einen anderen Weg zu gehen, der mir sinnvoller, erstrebenswerter erscheint. Wie die Arbeit an meiner Stiftung. Dieser Satz von Pelé, diese einfache Bemerkung, ich solle meinem Traum folgen, hatte mich viele Jahre lang begleitet und inspiriert. Ich wollte eine Stiftung gründen, die es Jugendlichen ermöglichte, genau solche Erfahrungen zu sammeln. Dafür brauchte ich Geld, viel Geld, das war klar. Ich nannte eine Kaufsumme, einen dreistelligen Millionenbetrag. »Das ist der Preis«, sagte ich in einem Meeting. »Machen Sie es oder wir brechen ab.« Meine Unnachgiebigkeit machte die Verhandlungen nicht einfacher. Ich kann ein Dickkopf sein, mit einem Schädel aus Stahlbeton, ich gab nicht einen Cent nach. Nun ging es nicht mehr um Emotionen, um Visionen, um Träume, sondern ausschließlich um harte Fakten, Zahlen, Bilanzen. Finanzexperten nahmen die Arbeit auf und analysierten alles, die Monate vergingen. Fünf Millionen Euro verschlang allein die Wühlarbeit der Wirtschaftsprüfer. Nach mehr als neun Monaten stimmten die Manager der Private-Equity-Firma zu. Zu den Konditionen, die ich verlangt hatte – und die einen umfassenden Schutz der Unternehmenskultur mit einschlossen. Das »Bobby-Prinzip«, wie es ein Reporter einmal genannt hatte, die Idee, dass nur ein zufriedener Mitarbeiter einen bequemen Stuhl erfindet, sollte unbedingt erhalten bleiben. Das war Bedingung.
In Hamburg wurde der Vertrag unterzeichnet, in einem modernen, kalten Hotel aus Stahl und Glas an der Alster. Zu den Gepflogenheiten gehört, dass das Vertragswerk den Parteien vorgelesen wird, eine zähe Angelegenheit, zu der wir eine Praktikantin schickten. Unser Management-Team, meine Schwester Sonja, Schwager Jan, Hervé,
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