Unverkäuflich!
Straße, auf den Mülldeponien, auf dem Straßenstrich«, sagt Pater Heinz, und ich möchte ihm das glauben. Er betreut Kinderprostituierte in den Slums, sorgt sich um Familien, die auf Friedhöfen hausen, besucht Alte, die auf den Straßen vegetieren. Er lebt dafür, anderen zu helfen. Manche haben ihn mit einer Art männlicher Mutter Teresa verglichen, aber Pater Heinz, ein hagerer, groß gewachsener Mann, der stets etwas gebeugt geht, als wolle er sich kleiner machen, lächelt nur verlegen, wenn man ihn darauf anspricht. Seine Arbeit sei ein »Akt der Nächstenliebe«, mehr nicht. Einen Monat lang hat Kulüke selbst in einer Hütte auf dem Müll gelebt. Um zu wissen, wie es ist, wenn der Tag mit Hunger beginnt und mit Hunger endet, um zu erleben, wie man mit dem Ungeziefer und der gemeinen Hitze klarkommt, mit den Prüfungen in dieser Vorhölle. Wie es sich anfühlt, Stunde um Stunde mit einem Stock samt Hakenaufsatz nach Dosen, nach Plastikresten oder Glas zu stochern. Um zu erfahren, welche Angst man spürt, wenn man bei Einbruch der Dunkelheit an einem Ort schläft, an dem es kein Recht gibt außer dem Recht des Stärkeren. Nach vier Wochen musste er den Selbstversuch abbrechen, weil er an einer Lungenentzündung und Hautkrankheiten litt und hohes Fieber bekam. Noch immer verbringt er manches Wochenende auf der Deponie, auch dann, wenn es ihn wieder krank macht. »Ich will nicht den Kontakt verlieren«, sagt er. Wie hält er das alles aus?, habe ich ihn gefragt. Was motiviert ihn weiterzumachen, egal wie hoffnungslos die Lage erscheint? »Mein Wunsch, den Kindern zu helfen«, antwortete er. Sobald Kinder auf der Deponie von Mandaue City alt genug sind, mit dem Hakenstock umzugehen, schicken ihre Eltern sie zum Müllsammeln. Was verwertbar erscheint – Dosen, Glas, Plastik – sammeln sie ein, um es abends an Händler weiterzuverkaufen. Ein Kind trägt etwa dreißig philippinische Peso zum Überleben einer Familie bei, umgerechnet knapp fünfzig Cent. Das genügt für etwas Reis und vielleicht eine Flasche Wasser. Für Kinder ist die Arbeit besonders gefährlich: Sie werden von Bulldozerfahrern leicht übersehen oder von wilden Hunden gebissen. In einer Woche musste Kulüke einmal siebzehn Kinder beerdigen, die an Tollwut starben. »Bildung ist für sie der einzige Ausweg«, sagt Pater Heinz, der auf einigen Deponien der Insel Kindergärten eingerichtet hat. Fast jedes Kind leidet an Ekzemen oder Erkrankungen der Atemwege. Die Sterblichkeit ist hoch, besonders in der Regenzeit, wenn der Müll aufweicht und die Zeit der Seuchen beginnt, Typhus, Cholera. Mehr als fünftausend Menschen, so schätzt man, fristen auf Cebu ihr Dasein auf dem Abfall.
Das Leben auf den Müllbergen von Cebu ist ein täglicher Kampf ums Überleben.
Seit vielen Jahren unterstützt Bobby Dekeyser ein Hilfsprojekt auf den »Smoking Mountains«, wie die Müllberge, in denen ständig Feuer brennen, auch genannt werden. Die Stiftung »Dekeyser & Friends« forciert überdies ein eigenes Umsiedlungsprojekt.
Der Steyler Missionar Heinz Kulüke kümmert sich um die Schwächsten.
»Gott lebt auf dem Müll«, sagt er. Kinder sind besonders in Gefahr:
Bulldozer, Feuer, Krankheiten, tollwütige Hunde oder Ratten und besonders
Krankheiten bedrohen sie.
Ich bewundere Pater Heinz für seine Leidenschaft, für seine Nächstenliebe, für seinen Durchhaltewillen. Oft hat er mit ansehen müssen, wie korrupte Beamte neu aufgebaute Siedlungen mit Bulldozern niederreißen ließen. Kulüke gibt nicht auf, und ihn zu unterstützen, empfinde ich beinahe als meine Pflicht. Es fiele mir schwer, mit dem Wissen, dass Kinder so nahe neben unserer Produktion im Abfall vegetieren, zu leben – ohne dass ich etwas dagegen unternommen hätte. Pater Heinz warnte davor, zu schnell zu viel anzupacken – sonst stünden bald tausende Menschen auf dieser Müllhalde, auf der Suche nach Hilfe, und die Dinge gerieten vollends außer Kontrolle. Und dennoch: Wir wollen etwas verändern, wir haben ein Stück Land gekauft, auf das wir viele Familien umsiedeln – ein Projekt der Stiftung »Dekeyser & Friends«, um die es später noch ausführlich gehen wird. Es ist unsere Aufgabe, Notleidenden zu helfen, es ist die Verpflichtung jedes Einzelnen, unabhängig davon, wie viel man hat. Mancher wird an dieser Stelle die Nase rümpfen und denken: Der hat leicht reden, der hat keine finanziellen Sorgen, doch so einfach ist das nicht. Es geht nicht darum, wie viel jemand
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