Unverkäuflich!
besitzt, es geht um das Verständnis, Wohlstand teilen zu können. Geiz und Gier sind mir zuwider. Für mich, der Luxusmöbel herstellt, auf den ersten Blick auch ein Dilemma: Ist das nicht ein Zeichen für alles, was schiefläuft, wenn Flechter Möbel herstellen, die tausende Dollar kosten werden, während wenige Kilometer Luftlinie entfernt Kinder leben, denen Ratten nachts die Hände anfressen? Ich kann das nicht ganz verneinen, es ist ein Paradox, keine Frage, aber die Möbel sind auch deshalb so teuer, weil es uns erlaubt, auf Qualität, auf Handarbeit zu setzen – und alle, die an der Produktion des Möbels beteiligt sind, gut zu bezahlen. Wir tragen auf den Philippinen Verantwortung für knapp dreitausend Mitarbeiter; wenn man weiß, dass jeder acht bis zehn Familienmitglieder unterstützt, umreißt das die Dimension, um die es geht.
Ich empfinde es als immense Verantwortung, was in meiner Geschichte noch eine wichtige Rolle spielen soll. Der Gedanke, dass durch fehlerhaftes Handeln oder durch meine Schuld das Leben vieler betroffen wäre, macht mir Angst, und diese Angst lähmt mich bisweilen. An manchen Tagen fühle ich sie wie eine Klaue, die sich um meinen Hals schließt.
Familienglück: Mutter Ann-Kathrin, Marie, Yannick und Carolin Dekeyser – und Labradorhündin Anouschka darf nie fehlen.
Buntes Abenteuer mit Familie und Freunden: Szenen aus der Welt von Dedon.
Hervé Lampert, der als Praktikant anfing und die Firma heute als CEO leitet, spielt
eine wichtige Rolle. Köchin Adriana stammt aus Sizilien, der Pick-up kommt aus
Amerika und die Mitarbeiter aus vielen Ländern rund um den Globus.
Acht
NOTAUSGANG GENF
S chon morgens beim Bäcker fragte man mich nach einer Lehrstelle oder einem Job im Lager. Jemand, den ich vielleicht zweimal gesehen hatte, bat mich um finanzielle Unterstützung, als sei ich nebenberuflich ins Kreditwesen eingestiegen. Ein anderer schrieb in einer E-Mail, er wolle bei Dedon als »Kulturattaché« anfangen. Ich hatte das Gefühl, mich in Lüneburg nicht mehr bewegen zu können. In einem Biergarten, in dem ich abends mit Ann-Kathrin ein Glas Wein trinken wollte, sprach mich ein Typ an und meinte, er sei selbst Unternehmer, aber nun nicht mehr Nummer eins in der Stadt. Er meinte das ernst. Es war absurd. Dabei war ich für einen Teil des Rummels selbst verantwortlich gewesen: Statt mit den Kindern Volleyball zu spielen, zog es mich vorübergehend zu Veranstaltungen wie der Verleihung des »Bambi«. Statt mit Onkel Seppi die Angel auszuwerfen, nahm ich an der Wahl zum »Entrepreneur des Jahres« teil, ausgerufen von einer großen Unternehmensberatung. Mehr als tausend Leute hatten mehr als tausend Euro bezahlt, um in einem großen Saal herumzusitzen und wichtig auszusehen. Ich fühlte mich unwohl in meinem Smoking, an diesem Tisch, es bedeutete alles, was ich schon immer nicht wollte, die Welt der Schlipsträger und der Bügelfalten, der bedeutenden Mienen und der geraunten Anerkennungsworte. Ich wollte niemals nach den Regeln dieser Leute spielen und nun saß ich mitten unter ihnen, Platz zwei für Bobby Dekeyser, Silber beim »Unternehmer des Jahres«, Applaus! Es blieb eine kurze Expedition, die keine neuen Erkenntnisse ergab außer der Bestätigung, dass meine Vorstellung von Zirkusleben eine andere ist. Im Nachhinein war es auch falsch gewesen, Journalisten nach Volkstorf zu lassen, in unser Heim; gewiss, der Resthof hatte einmal als Firmenzentrale gedient und war Teil unserer Geschichte, die wir erzählen wollten. Aber nun konnte jeder rasch herausfinden, wo wir wohnten. Wenn das Wetter schön war, kamen manchmal Radtouristen vorbei, die unser Haus besichtigten und Erinnerungsfotos schossen. Zu den schönen Seiten des Dorflebens gehörte es, Marie mit dem Pony zur Schule bringen zu können. Die Ruhe, die Weite der Landschaft, in der ich oft mit dem Hund spazieren ging. Jeden Morgen liefen unser Nachbar Gerd und ich durch den Wald und jeden Morgen spielten wir einen Tischtennispokal aus, mit bitterem Ernst. Gerd Hacker hat vier Kinder und eine Autolackiererei und er hielt mich, als wir uns kennenlernten, zunächst für einen jungdynamischen Schnösel. Wir wurden enge Freunde.
Ich machte auch andere Fehler, vielleicht aus dem Impuls heraus, dass ich mir nun manches leisten konnte. Viele Jahre lang hatten Ann-Kathrin und ich buchstäblich von der Hand in den Mund gelebt, uns nur das Nötigste ausbezahlt, ein kleines Gehalt, und jeden Pfennig
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