Unvermeidlich
Venushügel.
„Die da wäre?“, frage ich mit heiserer Stimme.
„Erst gehen wir duschen, danach lade ich dich zum Frühstück ein und dann holen wir die Kurze ab.“
Das klingt göttlich, auch wenn ich nicht weiß, wie ich den letzten Part durchstehen soll, ohne mir unsere gemeinsame Nacht anmerken zu lassen.
Unser Auftritt bei meinen Eltern erfährt weniger Beachtung als erwartet. Jakob ist mit Kati und Paul da - mit einer bedeutenden Nachricht. Ich dachte, sie wollten warten, bis sie die Schwangerschaft verkünden, doch offenbar konnte sich mein Bruder nicht zurückhalten.
Er ist stolz auf seine Frau. Und auf seinen Mann. Auch wenn die drei vermutlich niemals die Möglichkeit bekommen, sich in irgendeiner Form offiziell zu binden, habe ich noch nie eine liebe- und respektvollere Beziehung gesehen. Ich bin neidisch, das muss ich zugeben, aber es gibt wenige Menschen, denen ich das mehr gönnen kann. Kati hat in ihrer Vergangenheit jung Verantwortung für ihren kleinen Bruder übernommen und hat immer nur als Letztes an sich selbst gedacht. Da hat sie es verdient, von zwei fantastischen Männern umsorgt zu werden. Auch wenn mir das persönlich etwas zu viel wäre, für die drei funktioniert es.
Wir sitzen bei meinen Eltern am großen Tisch im Esszimmer und essen von dem köstlichen Braten, den mein Papa zubereitet hat. Meine Mutter bekommt allerdings kaum einen Bissen runter. Sie hat ganz rote Wangen und löchert die arme Kati mit Fragen. Mein Vater hingegen ist sehr ruhig. Er braucht seine Zeit, um sich mit dieser Neuigkeit zu arrangieren, aber er wird damit klarkommen. Nie würde er sich so verhalten, wie es Pauls Vater tut.
Alex sitzt mir gegenüber und schneidet für Anna das Fleisch in kleine Stücke. Niemandem fällt auf, dass er mich dabei mehr beobachtet als sonst, alle sind vertieft in die Babynachricht. Doch ich spüre ihn. Egal ob er mich ansieht oder nicht, seine Nähe knistert wie eine leichte elektrische Spannung zwischen uns.
Ich bin verliebt in ihn und gerade in diesem Moment frustriert mich das. So sehr ich meinem Bruder das Glück in doppelter Dosis gönne, so dringend wünsche ich mir, ich könnte meine Liebe für Alex auch offen zeigen. Als hätte er meine Gedanken gespürt, sucht er meinen Blick und schenkt mir ein verständnisvolles Lächeln.
Nachdem Mama ihren Fragenkatalog fürs Erste abgearbeitet hat, hilft Kati mir mit Freude beim Tisch abräumen. Ich würde auch alles tun, um der Neugier meiner Mutter zu entgehen. Gar nicht auszudenken, was mir bevorstehen würde, wenn sie nur ansatzweise wüsste, was zwischen Alex und mir los ist.
„Glaubst du, dein Papa wird damit klarkommen?“, fragt Kati unsicher, als wir alleine in der Küche die Töpfe spülen. Mit tropfenden Händen reiche ich ihr einen Glasdeckel aus dem Spülwasser.
Meine Eltern sitzen mit Paul und Jakob auf der Terrasse und sind in eine angeregte Diskussion vertieft. Es scheint jedoch kein Streitgespräch zu sein. Anna ist irgendwo mit Alex unterwegs.
„Natürlich, Süße. Zerbrich dir nicht den Kopf. Er wird ein paar Tage brauchen, um das zu verdauen. Aber du solltest ihn inzwischen gut genug kennen, um zu wissen, dass er euch alle sehr ins Herz geschlossen hat. Ihm ist nur wichtig, dass seine Kinder glücklich sind. Und wenn er erkennt, dass das der Fall ist, kommt er mit ziemlich allem klar. Außerdem mag er dich viel zu sehr, um damit ein großes Problem zu haben.“
„Was ist mit deinem Glück, Dani? Muss er sich darüber Gedanken machen?“
Ich hätte nicht zulassen sollen, dass irgendjemand etwas von meinen Gefühlen für Alex mitbekommt. Es ist so schon schwierig genug. Aber jetzt ist es zu spät.
„Ich bin seine Tochter. Das soll ja für Väter immer noch mal schwieriger sein. Also wird er vermutlich nie aufhören, sich den Kopf zu zerbrechen.“
Meine diplomatische Antwort nimmt sie mir nicht ab, doch sie löchert mich auch nicht weiter.
„Kannst du dir das nächste Wochenende freihalten?“, fragt sie stattdessen. „Ich hab ein paar Trödler gefunden, die aufbereitete Polstermöbel auf Lager haben. Die würde ich mir gerne ansehen. Falls sich etwas findet, müssten wir das vorerst einlagern, aber ich will auch nicht erst nach dem Umbau suchen und für Wochen mit einem halbleeren Laden dastehen.“
„Meinst du, die neue Aushilfe schafft das alleine?“
„Das klappt schon. Samstags haben wir sowieso nur einen halben Tag offen. Außerdem habe ich Ben und Jakob für den Nachmittag
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