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Unverstanden

Unverstanden

Titel: Unverstanden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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passiert ist, wie ich mir die Hände aufgeschnitten habe. Ich bin hier das Opfer. Irgendjemand will mir diese Geschichte in die Schuhe schieben.«
    »Warum sollte irgendjemand so etwas tun?«
    »Genau!«, erwiderte er und stieß mit dem Zeigefinger auf den Tisch, als hätte sie ihm sein Argument aus dem Mund genommen.
    »Wo waren Sie gestern Abend, Mr. Reed?«
    Er starrte seine Hände an. Die roten Striemen von den Handschellen waren noch sichtbar. Sie sah eine merkwürdig aussehende, purpurrote Linie seitlich an seinem Daumen. Sie war ihr bereits bei der Verhaftung aufgefallen, und er hatte etwas von einem Arbeitsunfall gemurmelt.
    Martin fragte: »Ist Anther auch niederländisch?«

    »Das kommt von Anthere, Staubbeutel, dem Teil einer Blume, in dem der Pollen produziert wird.« Sie lehnte sich zurück und war plötzlich unbeschreiblich müde. »Mein Vater war Botaniker. Er hoffte auf einen Jungen.«
    Martin blinzelte verständnislos.
    Na ja, es war nicht ihr bester Witz; aber sie fand ihn nicht so schlimm, wie seine Reaktion implizierte. Andererseits saß der Mann in einem Verhörzimmer der Polizei und wurde befragt nach seiner Beteiligung an einem brutalen Mord, vielleicht erwartete sie deshalb zu viel von ihm.
    Charlie, ihr toter Ehemann, hatte unter anderem deshalb eine solche Wut auf An gehabt, weil er ihren Humor nicht so recht verstand. Er tadelte sie immer wegen ihrer scharfen Repliken, beschuldigte sie, sie würde ihm gegenüber ihre Bildung heraushängen lassen (als wäre ein Bachelor-Abschluss in Kunstgeschichte etwas, auf das man stolz sein könnte). Er fing immer leise an, wie eine dieser handbetriebenen Sirenen, doch je mehr die Dinge außer Kontrolle gerieten, desto lauter wurde er, bis er schreiend über ihr kniete und ihren Körper mit seinen Fäusten bearbeitete - allerdings nie ihr Gesicht.
    Eigentlich war es peinlich, eine siebenundzwanzigjährige Frau zu sein, die jeden Tag eine Uniform
anzog und eine Pistole umschnallte, um den Frieden zu erhalten, und sich dann jeden Abend verprügeln zu lassen. Sie schlug nie zurück, obwohl Charlie es mit Sicherheit verdient hatte. War die Opferrolle ein Teil von Ans Natur? Bei der Arbeit sah sie häusliche Gewalt so oft, dass sie ihr ganz normal vorkam. In ihren frühen Jahren bei der Truppe ging es bei der Hälfte ihrer Einsätze darum, dass ein Mann sich betrunken hatte, und eine Frau darunter leiden musste. Ihr Blick wurde immer glasig bei ihren Geschichten von Liebe, bei ihren Ausreden. Und dann ging sie nach Hause und ließ sich von Charlie verprügeln.
    Eigentlich war es ein Glück gewesen, dass er in der Badewanne ausgerutscht war und sich den Schädel eingeschlagen hatte. Als An ihn dort fand, ging ihr nur eine einzige Frage durch den Kopf, nämlich, ob sie das Wasser laufen lassen sollte oder nicht, während er langsam verblutete. Sie war das Kind niederländischer Eltern und wusste, dass man kein Wasser verschwenden durfte. Sie hatte es abgedreht und sich dann vor den Fernseher gesetzt, um Glücksrad zu schauen.
    Das war noch zu der Zeit, als man sich für seinen Gewinn nur Waren aussuchen konnte. An konnte sich noch an die Frau erinnern, die an diesem
Abend gewonnen hatte. Eine Kamera fuhr über die exotischen, teuren Sachen, während eine zweite das aufgeregte Gesicht der Gewinnerin zeigte, als sie ihre Entscheidungen verkündete. »Ich glaube, ich nehme die Essecke für fünfneunundneunzig und das passende Sideboard für dreifünfzig.« Es blieben immer ein paar hundert Dollar über, und der Gewinner musste dann auch noch die weißen Windhunde aus Keramik mitnehmen. An hätte gern einen dieser Hunde gehabt. In einem Laden musste man allerdings erst einmal einen finden. Das war genau das aufmerksame Geschenk, dass Jill ihr gemacht hätte, hätte sie noch die Kraft gehabt, aus dem Bett zu kommen (nicht, dass sie viel Geld gehabt hätte; Jills Arbeitsunfähigkeitsrente vom Krankenhaus reichte kaum für ihren Teil von der Hypothek).
    Bruce klopfte an die Tür und betrat das Verhörzimmer. Er hatte eine Mappe in der Hand, die Tatortfotos. Er legte die Mappe auf den Tisch und schob sie An zu, während hinter ihm ein zwölfjähriger Junge in einem Anzug hereinkam.
    Na ja, der Pflichtverteidiger konnte nicht wirklich zwölf Jahre alt sein, aber er sah so aus. Als er durchs Zimmer ging, quietschten seine Schuhe. An fiel auf, dass seine Haare oben am Kopf feucht waren, offensichtlich musste er eine widerspenstige
Locke zähmen. Am Ärmel seines Anzugs

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