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Unwiderstehlich untot

Unwiderstehlich untot

Titel: Unwiderstehlich untot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Chance
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Vampire interessiert waren – ich durfte nicht vergessen, dass ich anschließend auch noch den Rest meiner Gruppe in Sicherheit bringen musste.
    Wir blieben vor einer Zelle stehen, in der sich ein Mann in mittleren Jahren mit krausem braunen Haar befand. Marlowe nahm sich den Zauber der Tür vor, und ich warf einen Blick in die Zellen zu beiden Seiten. Eine enthielt eine rothaarige Frau mit verschlagenem, berechnendem Blick. In der anderen befand sich ein Mann, der ebenfalls in mittleren Jahren war und den Kampf gegen Glatzköpfigkeit verlor, obwohl es Zauber für so etwas gab. Vielleicht war er zu stolz gewesen, auf magische Mittel zurückzugreifen – das Gesicht deutete auf ein ausreichendes Maß an Hochmut hin –, oder der Kreis ließ solche Eitelkeiten in seinen Zellen nicht zu.
    Beide wirkten nicht sonderlich sympathisch, aber der Gedanke daran, was ihnen bevorstand, jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken. Das ging auf mich zurück. Es war nicht in dem Sinne meine Schuld – ich hatte Richardson nicht aufgefordert, uns zu verraten, und ich war nicht für den Zauber verantwortlich, der all dies angerichtet hatte. Aber wenn ich im Eingangsbereich des Dante’s auf Pritkin gehört und mich aus dem Staub gemacht hätte, wäre nichts davon geschehen. Plötzlich hörte ich erneut seine Stimme: »Sie werden verhungern oder ertrinken oder unter einem Berg aus Schutt begraben.« Ich sah in das Gesicht des Mannes und schauderte.
    Ein Schutzzauber gab mit einem Summen nach, das in meinen Knochen widerzuhallen schien, und der Mann mit dem krausen Haar fiel schlaff in Marlowes Arme. »Wie viele können Sie mitnehmen?«, fragte er mich.
    »Ich… nicht so viele«, sagte ich und gestand das Offensichtliche ein.
    »Sagen Sie mir, wen Sie wegbringen wollen.«
    »Wie bitte?« Ich starrte ihn groß an. »Ich soll darüber entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss?«
    »Jemand muss entscheiden«, sagte Marlowe, zuckte mit den Achseln und legte sich den Mann über die Schulter. »Wir haben den Mann, den wir wollen. An dem Rest hat der Senat kein Interesse.«
    Ich musterte erneut die rothaarige Frau. Im flackernden Licht sahen ihre grauen Augen aus, als sei sie bei Bewusstsein. Wir starrten uns gegenseitig an, sie steif und leblos wie eine Puppe, ich steif und hölzern wie eine geschnitzte Statue. In einigen Minuten würde sie tot sein. Oder ich nahm sie mit, und die anderen starben. Wie die menschlichen Bediensteten, die die Vampire in den oberen Etagen untergebracht hatten, wie alle, die zufälligerweise oberhalb des sechsten Kellergeschosses gewesen waren. Es erschien mir alles so schrecklich zufällig.
    »Es muss eine Möglichkeit geben«, sagte ich verzweifelt.
    »Eine Möglichkeit für was?«, fragte Marlowe und runzelte die Stirn.
    »Sie zu retten. Sie alle. Wir können sie nicht einfach zurücklassen!«
    Marlowe sah mich mit ausdrucksloser Miene an. »Doch, das können wir. In etwa vierzig Minuten stürzt hier alles ein, und dann werden auch die weiter unten gelegenen Etagen zerstört. Ihre Anteilnahme ist bewundernswert, aber wenn wir uns nicht bald auf den Weg machen, kommt niemand von uns hier raus. Und ich würde mich vermissen, wenn Sie’s genau wissen wollen.«
    »Ich bin sicher, dass man viele dieser Leute vermissen würde, Marlowe!«
    Die Lampe direkt über uns wählte genau diesen Moment, um zu platzen. Plastikstücke und Glassplitter regneten auf den Boden des Korridors, und Schatten krochen über Marlowes Gesicht. Konturen schienen sich zu verschieben, und hinter der jovialen Maske traten deutlich schärfere Züge hervor. Für einen Moment sah er so gefährlich aus, wie er es angeblich war.
    »Wenn alle gerettet werden könnten, würden wir es tun«, sagte er. »Aber es geht nicht. Und denken Sie daran, wo wir sind. Nach allem, was wir wissen, haben diese Leute ihr Schicksal verdient.«
    In meiner Magengrube krampfte sich etwas zusammen, als die übliche Leugnen-Verdrängen-Ignorieren-Reaktion auf Unangenehmes plötzlich nicht mehr richtig funktionierte. Ich sah in beide Richtungen durch den Korridor, in junge und alte Gesichter, in weiche und harte. Sie alle hatten sich die Feindschaft des Kreises zugezogen, doch das galt auch für mich. Wenn sich Richardson durchgesetzt hätte, wäre ich jetzt in einer dieser Zellen gewesen. Diese Menschen unterschieden sich nicht von mir, mit dem einen Unterschied, dass sie bald sterben würden. Sie waren zum Tod verurteilt, weil ich einen dummen Fehler

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