Unwiderstehlich untot
stand auf und kam hinter dem Tisch hervor, und ich hätte mich ihm fast in die Arme geworfen. Ich hatte gewusst, dass mit ihm wahrscheinlich alles in Ordnung war, aber ein Teil von mir hatte sich trotzdem große Sorgen gemacht. Mein Herz klopfte schneller, als ich ihn nun unverletzt sah, und große Erleichterung durchströmte mich.
»Sieh nur, was sich im Flur herumgetrieben hat«, erklang Marlowes fröhliche Stimme hinter mir. »Zwei Magier begleiten sie. Der eine ist Pritkin; den anderen kenne ich nicht.«
»Ich nehme an, sie stecken hinter den Schüssen, nicht wahr?«, fragte Rafe und strich mir übers Haar.
»Sie leisten bei den Experimenten Sterbehilfe«, sagte Marlowe amüsiert. »Jetzt?«
»Warum nicht jetzt?«, fragte ich.
»Weil die Schutzzauber in dreiundfünfzig Minuten versagen und das Problem lösen«, antwortete Marlowe. Wie um seine Worte zu bestätigen, erzitterte wieder der Boden unter unseren Füßen.
»Warum seid ihr beide dann noch hier? Wir haben keine Leichen gefunden. Ich nehme also an, dass es einen Weg nach draußen gibt.«
»Es gibt mehrere«, sagte Rafe und warf Marlowe einen Blick zu.
Ich drehte mich um und stellte fest, dass mich der Meisterspion des Senats nachdenklich ansah. Das Kerzenlicht holte den kleinen Ring am linken Ohr aus der Dunkelheit und glänzte in seinen dunklen Augen. Ich kannte den Blick – von dieser Sorte bekam ich in letzter Zeit recht viel. Für gewöhnlich bedeutete es: Ich frage mich, ob sie wirklich dumm genug ist, darauf hereinzufallen. Und meistens lautete die Antwort Ja.
»Das wird mir nicht gefallen, oder?«, fragte ich resigniert.
»Vielleicht nicht.« Marlowe deutete zur Papierrolle auf dem Tisch, und ich bemerkte, dass es sich um eine Art Grundriss handelte, der vermutlich den inneren Aufbau von MAGIE zeigte. »Eine Rettungsmission hat euch hierher geführt?«
»Ja. Allerdings haben wir bisher niemanden gefunden, der gerettet werden kann.«
»Die meisten Überlebenden der Explosion sind bereits evakuiert. Es gibt aber noch einen bewohnten Bereich: den Zellentrakt der Magier.«
»Die Gefangenen sind noch da? Warum?«
»Ein Einsturz«, sagte Rafe. »Aus Sicherheitsgründen gibt es nur einen Weg zu den Zellen, und dort haben die Schutzzauber versagt.« Ein langer Finger strich über die Karte, von unserer derzeitigen Position aus zwei Etagen nach oben. »Dadurch lässt sich der Zellentrakt nicht mehr erreichen.«
»Wir haben uns alle Einzelheiten der Karte angesehen und die Magier befragt, aber es gibt keine geeignete Hintertür«, fügte Marlowe hinzu. »Und der Einsturz ist so groß, dass wir uns in der Zeit, die uns noch bleibt, nicht hindurchgraben können. Fast die ganze Länge des Flurs ist betroffen.«
Ich blinzelte. »Da muss ich etwas falsch verstanden haben. Ihr seid hiergeblieben, um Menschen zu retten?« Marlowe lächelte über seinem Spitzbart. »Zumindest einen.«
»Was ist mit den anderen?«
Er zuckte mit den Schultern. »Die können Sie ebenfalls retten, wenn Sie wollen.«
»Oh, herzlichen Dank! Sagen Sie mir jetzt, worum es wirklich geht.«
»Um die Antwort auf ein Gebet«, erwiderte Marlowe fromm. Ich blinzelte erneut. »Sie beten?«
»Natürlich«, sagte er unschuldig. »Allerdings habe ich noch nicht darauf hingewiesen, wem oder was meine Gebete gelten.«
»Zieh sie nicht auf, Kit«, tadelte Rafe. Er sah mich an. »Wenn wir jemanden retten wollen, müssen wir uns beeilen.«
Ich beschloss, die Geschichte später aus Rafe herauszuholen. »So einfach ist das nicht«, sagte ich. »Sprünge durch den Raum unterscheiden sich von denen durch die Zeit. Meine Kraft gibt mir keinen Ausblick auf das Ziel, und ohne zu wissen, wohin die Reise geht… Ich könnte in einer Wand erscheinen, oder, wie in diesem Fall, in einem Gesteinshaufen.«
»Wir glauben, dass der Weg nach dreißig Metern frei ist.«
»Das glauben Sie?«
»Die Schutzzauber berichten, dass nach dreißig Metern alles sicher ist. Allerdings…«
»Allerdings was?«
»Vielleicht sind sie nicht ganz zuverlässig. Nicht bei so umfangreichen Schäden.«
Ich starrte ihn groß an. »Nicht ganz zuverlässig heißt, dass ich mitten in einen Felssturz geraten könnte, Marlowe! Kein Rätselraten – das ist auch so schon schwer genug. Ich muss Gewissheit haben!«
Er sah mich nur an, doch Rafes Blick glitt nach rechts, zu einem Teil des Zimmers, in dem noch immer völlige Finsternis herrschte. Ein zischendes Seufzen kam aus der Dunkelheit, und einen Moment später
Weitere Kostenlose Bücher