Unwiderstehliche Küsse: Roman (German Edition)
nachdem sie sich auf dem Marktplatz begegnet waren. Sie hatte die hauchdünne Seide zurückgezogen, die ihre vollen Brüste bedeckte, nicht um ihn mit ihrer Nacktheit zu verführen, sondern um ihm die frischen blauen Flecken zu zeigen, die ihr Ehemann ihr mit seinen Fäusten zugefügt hatte. Angesichts der verblassten Narben war ihm sofort klar, dass die frischen Prellungen nur die letzten in einer langen Reihe von Verletzungen ihrer perfekten Haut waren. Ebenso wenig erläuterte Ash, dass er sie nicht aus Lust mit den Lippen berührt hatte, sondern um den Schmerz zu lindern. Oder dass, nachdem sie ihm die Arme um den Hals geschlungen hatte und sie beide auf sein Bett gefallen waren, er es gewesen war, der zur Vernunft gekommen war und versucht hatte, sich aus ihrer Umarmung zu lösen. Sie hatte eine erholsame Nacht in seinem Bett verbracht, während er sich schlaflos auf dem harten Fußboden gewälzt und sich die ganze Zeit einen Narren geschimpft hatte.
Er sparte es sich, Max irgendetwas davon zu sagen. Er wusste, sein Bruder würde ihm niemals glauben. Er glaubte es sich ja selbst kaum.
»Als ob dem Mann Hörner aufzusetzen nicht schon schlimm genug wäre«, sagte Max, »musstest du auch noch allem die Krone aufsetzen, indem du sie auf ein Schiff verfrachtet und ihr dabei geholfen hast, ihm wegzulaufen. War das alles Teil deines hirnverbrannten Plans? Sich im nächsten Hafen mit ihr zu treffen und in irgendeinem dreckigen Wirtshaus zu bleiben, bis du ihrer müde geworden bist und dich daran machst, irgendeiner anderen Schönheit nachzusteigen, auf die du ein Auge geworfen hast?«
Genau genommen hatte Ash nicht vorgehabt, Fatima je wiederzusehen. Bevor ihr Schiff abgesegelt war, hatte er ihr eine prall gefüllte Geldbörse in die Hand gedrückt, mit so viel Gold darin, dass sie nie wieder auf die Gnade und das Wohlwollen eines Mannes angewiesen wäre, ihn selbst eingeschlossen. Wenn nicht einer von Mustafas Männern zufällig Zeuge des dankbaren Kusses gewesen wäre, den sie ihm gegeben hatte, bevor sie an Bord des Schiffes gegangen war, hätte sich Ash auf dem nächsten Schiff wiedergefunden, auf dem Weg irgendwohin in die Welt, nur nicht nach Marokko, wo er vor einem Erschießungskommando auf Mustafas Hof gelandet war.
Er schwenkte den restlichen Brandy in seinem Glas, ehe er ihn in einem einzigen Zug austrank. »Es wundert mich, dass du nicht einfach zugelassen hast, dass Mustafas Männer mich erschießen.«
»Denk nur nicht, ich sei nicht in Versuchung gewesen«, bemerkte Max grimmig. »Ich hätte vielleicht sogar genau das getan, wenn ich nicht einen Auftrag für dich hätte.«
Ash beugte sich vor und stellte das leere Glas auf den Schreibtisch. »Vielleicht ist die Neuigkeit noch nicht bis zu dir vorgedrungen, aber ich habe mein Offizierspatent verkauft. Ich arbeite nicht länger für die Kompanie. Oder für dich. Ich habe mehrere Jahre meiner Jugend im Dienst für König, Vaterland und die Kompanie vergeudet. Jetzt kümmere ich mich nur noch um mich selbst.«
»Ich bin sehr wohl im Bilde über deine Heldentaten als Söldner. Wie unsere Eltern im Übrigen auch. Dein Treiben liefert mehr als genug Futter für die Londoner Klatschpresse und hat unseren Vater oft genug beim Frühstück an den Rande eines Anfalles gebracht.«
»Jetzt versuchst du, mir eine Freude zu machen.«
Der Anflug eines Lächelns zuckte um Max’ Lippen, und einen flüchtigen Moment lang waren sie wieder die Brüder, die unter der Decke den Streich ausgeheckt hatten, ihrem Vater einen Frosch in den Badezuber zu legen. Trotz der Bemühungen ihres Vaters, einen Keil zwischen sie zu treiben, indem er Max ununterbrochen überschwänglich lobte und Ash andauernd kritisierte, waren sie wie Pech und Schwefel gewesen.
Das alles hatte sich geändert, nachdem Ash aus Eton heimgekehrt war und der Bruder, den er geliebt und bewundert hatte, verschwunden war, ersetzt durch einen jungen Mann, der ihn so kalt und verächtlich behandelte wie ihr Vater. Ashs Schmerz und seine Verwunderung hatten sich langsam in Zorn verwandelt, dann in Gleichgültigkeit. Da Max sich ihm nicht anvertrauen wollte, konnte Ash nur davon ausgehen, dass Max sich nicht länger mit einem jüngeren Bruder abgeben wollte, dessen Halstuch ständig schief hing und bei dem man sich darauf verlassen konnte, dass er während einer Unterhaltung genau im falschen Moment mit einer sarkastischen Bemerkung herausplatzte.
Selbst jetzt war Max’ Belustigung über Ashs Spitze nur von
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