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Unwiderstehliches Verlangen

Titel: Unwiderstehliches Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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mehr, als wenn er sie angeschrien oder laut geheult hätte, wie es andere Kinder taten. Doch Billy war nun mal ein eigenartiger kleiner Junge. Er benahm sich eher wie ein alter Mann mit dem Körper eines kleinen Jungen, als ein normales Kind.
    Als sie dann von zu Hause weglief, um mit Charley zu leben, war sie zu feige, es ihrer Mutter zu sagen. Sie legte ihr nur einen Zettel hin. Doch auf halbem Weg zum Flugplatz machte sie urplötzlich kehrt und rannte wieder zurück. Unterwegs erwischte sie das Auto eines Bekannten, der sie mitnahm und vor Billys Haus absetzte. Hier fand gerade eine Geburtstagsfeier statt. Die elf Brüder und Schwestern Billys, dazu noch die meisten Kinder aus Chandler, balgten sich dort herum und vollführten einen Krach, als ginge die Welt unter. Nur von Billy war nichts zu hören und zu sehen. Als seine Mutter, die als ruhender Pol inmitten des Tohuwabohus saß, sie erblickte, zeigte sie zur Veranda.
    Dort saß Billy ganz allein in einer Ecke und las ein Buch über Flugzeuge. Als Jackie ihn so sah, dachte sie: Vielleicht habe ich ihn doch ein ganz kleines bißchen lieb. Billy sah sie auf sich zukommen, und der Junge, der so selten lächelte, strahlte vor Freude übers ganze Gesicht. »Du hast mich noch nie besucht«, sagte er, und sein Tonfall bewirkte, daß ihr Verhalten ihr auf einmal leid tat. Vielleicht war sie zu hart gegen ihn gewesen. Schließlich hatten sie doch auch manchmal fröhliche Stunden miteinander verlebt.
    Dann sah er ihren Koffer und sagte mit tränenerstickter Stimme: »Du gehst mit ihnen fort, nicht wahr?«
    »Ja. Und du bist der einzige, dem ich es sage. Meiner Mutter habe ich nur einen Zettel hinterlassen.«
    Billy nickte verständnisvoll wie ein Erwachsener. »Sie will bestimmt nicht, daß du sie verläßt.«
    »Könnte sein, daß sie mich dazu bringt zu bleiben.«
    »Ja, das könnte sein.«
    Sie war an seine Altmännerart gewöhnt, aber sie sah auch, wie traurig er war. Sie zerwühlte ihm die dunklen Haare und sagte: »Ich besuche dich schon mal wieder.« Damit drehte sie sich um und wollte gehen, doch Billy warf die Arme um ihre Taille und hielt sie fest umklammert.
    »Ich liebe dich, Jackie. Ich werde dich immer und ewig lieben.«
    Sie kniete sich hin und nahm ihn in die Arme. Dann hielt sie ihn ein Stück von sich ab und glättete seine zerwühlten Haare. »Kann sein, daß ich dich auch ein kleines bißchen lieb habe.«
    »Wirst du mich heiraten?«
    Jackie lachte. »Ich heirate einen dicken, alten Mann und schaue mir die Welt an.«
    »Das darfst du nicht«, flüsterte er. »Ich habe dich zuerst gekannt.«
    Jackie erhob sich und schaute auf ihn hinab. Die Tränen strömten nur so über sein Gesicht. »Ich muß jetzt gehen. Aber eines Tages sehen wir uns wieder. Ganz bestimmt.« Sie glaubte selber nicht daran. Sie wollte dieser lausigen kleinen Stadt den Rücken kehren und nie mehr zurückkommen. Sie wollte die Welt sehen! Impulsiv — so handelte sie ja meistens — nahm sie die blaugoldene Anstecknadel der Schule von ihrer Bluse ab und gab sie ihm. Was sollte sie noch mit einer nichtssagenden Schulnadel aus einer nichtssagenden Stadt anfangen?
    Billy blickte so intensiv auf die Nadel in seiner offenen Hand, daß er erst nach einer Weile ihr Weggehen bemerkte. Sie hatte sich in ihrer üblichen Weise entfernt, das heißt: eher im Laufschritt. Er rannte hinter ihr her. Er wollte sie einholen. Als ihm das nicht gelang, rief er ihr nach: »Wirst du mir schreiben?«
    »Aber klar!« gab sie über die Schulter zurück. »Klar schreibe ich dir.«
    Doch natürlich schrieb sie ihm nie. Eigentlich hatte sie in den ganzen folgenden Jahren nicht mehr als ein halb dutzendmal an Billy gedacht, und auch nur, wenn sie sich in Gesellschaft von Leuten befand, die ebenfalls aus Kleinstädten stammten und Erinnerungen an diese Zeit austauschten. Unter dröhnendem Gelächter der anderen pflegte sie dann die Geschichte vom kleinen Billy Montgomery zu erzählen, der ihr von dem Augenblick, als sie zwölf war, das Leben schwergemacht hatte, bis sie ihm mit achtzehn entkam. Ein-, zweimal fragte sie sich, was wohl aus ihm geworden sein mochte. Aber sie wußte ja, daß er mit dem Geld der Montgomerys und deren Verbindungen alles beginnen konnte, wozu er Lust verspürte.
    »Wahrscheinlich ist er längst verheiratet und hat ein halbes Dutzend Kinder«, sagte ein Mann.
    »Unmöglich«, widersprach Jackie. »Billy ist doch ein Kind. Ich habe noch seine Windeln gewechselt.«
    »Aber Jackie, ich

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