Unwiderstehliches Verlangen
war. Die größeren Kinder hangelten an ihm entlang, bis sie im Fluß landeten. Mit fünf weigerte sich Billy, das zu tun. Auch mit sechs tat er es nicht. Doch als er sieben war, ging er hin und hangelte sich hinüber. Jackie merkte, daß er große Angst dabei hatte. Aber er biß die Zähne zusammen und machte weiter, bis er ins Wasser tauchte. Wie ein Hund paddelte er anschließend zu Jackie zurück, denn schwimmen konnte er nicht. Eigentlich wollte sie so tun, als hätte sie nichts gesehen, aber dann grinste sie doch und blinzelte ihm zu. Dafür schenkte ihr Billy ein Lächeln, und er lächelte sehr selten.
Danach kamen sie besser miteinander aus. Jackie brachte ihm das Schwimmen bei und gestattete ihm, ihr bei der Hausarbeit daheim kleine Dinge abzunehmen. Billy — der nur dann sprach, wenn er wirklich etwas zu sagen hatte — bemerkte, daß es ihm in Jackies Zuhause besser gefalle als bei sich daheim. In seinem Haus erledige die Dienerschaft alle Arbeiten, während man bei ihr selber Hand anlegen dürfe.
»So kann man es auch sehen«, sagte Jackie.
Eines Tages schlug Billys Mutter ihm vor, er solle Jackie fragen, ob sie ihn ins Kino begleiten wolle. Jackie war zunächst begeistert, weil sie nie Geld für solche Vergnügungen hatte. Doch dann sah sie vor dem Kino den hübschesten Jungen ihrer Klasse und blieb stehen, um ihn zu begrüßen. Da stellte sich der kleine Billy dazwischen und erklärte dem einen Meter dreiundachtzig großen Teenager, er sei mit Jackie verabredet, und der Junge solle sich gefälligst zum Teufel scheren, sonst würde er etwas erleben. Ein halbes Jahr lang mußte sie die Hänseleien in der Schule ertragen. Gnadenlos zogen sie die Jungs mit ihrem knapp einen Meter messenden kleinen Leibwächter auf. »Wir haben solche Angst, daß er uns mit den Fäusten die Kniescheiben zerschlägt«, witzelten sie. »Wie ist es: Hebst du ihn immer hoch, wenn du ihm den Gutenachtkuß gibst?«
Als Billy sieben war, nannten ihn die Leute in der Stadt Jackies Schatten. Er wieselte ständig um sie herum und folgte ihr überallhin. Jackie konnte tun, was sie wollte, sie wurde ihn nicht los. Sie schrie ihn an, sie belegte ihn mit Schimpfwörtern, sie sagte sogar: »Ich hasse dich!« Aber er ließ nicht von ihr ab.
Eines Tages begleitete ein Junge sie auf dem Heimweg von der Schule. Am Briefkasten blieben sie noch eine Weile stehen. Als der Junge die Hand ausstreckte, um ein herabgefallenes Blatt aus Jakkies Haar zu entfernen, sprang der sieben Jahre alte Billy wie eine nasse Wildkatze aus den Büschen und warf sich auf den überraschten Jungen. Jackie wäre am liebsten vor Scham in den Boden versunken. Sie riß Billy zurück und wollte sich bei dem Jungen entschuldigen, doch der hatte sich schon davongemacht. Es war ihm peinlich, daß der Kleine ihn glatt zu Boden gerissen hatte. Am nächsten Tag hatten sie in der Schule wieder Grund zum Spotten und zogen Jackie mit ihrem Liebhaberzwerg auf, den sie in den Büschen vor ihrem Haus versteckt hielte.
Billys Mutter, eine freundliche Dame, hörte von der Rauferei und entschuldigte sich bei Jackie. Allerdings versuchte sie die Tat ihres jüngsten Sohnes auch zu rechtfertigen: »Er liebt dich eben zu sehr, Jackie.« Das war nun aber etwas, das die Siebzehnjährige nicht gern hörte. Sie hätte lieber gehört, daß der Kapitän der Football-Mannschaft in sie verliebt sei, aber doch nicht ein Knirps, der nur wenig mehr als halb so groß war wie sie!
Nach dieser Episode sprach sie drei Wochen lang nicht mit Billy, doch sie hatte fast ein bißchen Mitleid mit ihm, als sie ihn eines Morgens beim Aufstehen schlafend auf der Schaukel ihrer Veranda fand. Er war irgendwann in der Nacht aus dem Fenster seines Schlafzimmers gestiegen, hatte draußen gewartet, bis der Milchwagen vorbeikam, sich zwischen den Milchkannen versteckt und war abgestiegen, als der Fahrer kurz an Jackies Haus gehalten hatte. Dann hatte er sich auf den harten Brettern der Schaukel zusammengerollt und war eingeschlafen. Jackie sagte ihm, er sei so schlimm wie sämtliche zehn Plagen Ägyptens zusammengenommen, doch ihre Mutter fand Billy »entzückend«.
Auch an dem Tag, als Jackie ihren Charley kennengelemt und sich in Flugzeuge verliebt hatte, war Billy hinter ihr hergezottelt.
Damals hatte Billy sie gefragt: »Hast du Flugzeuge mehr lieb als mich?«
»Mir sind sogar Moskitostiche lieber als du«, hatte ihre Antwort gelautet.
Wie üblich hatte Billy nichts dazu gesagt, und das bedrückte sie viel
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