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Unwiederbringlich

Unwiederbringlich

Titel: Unwiederbringlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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letzten Abende in dem kleinen Kreise gefehlt hatten.
    »Nun, im Ebba-Turm. Und nicht später als acht. Wer später kommt, zahlt Strafe.«
    »Welche?«
    »Das findet sich.«
    Und danach ging jeder auf sein Zimmer, nachdem noch Schleppegrell versprochen hatte, seinen Schwager, Doktor Bie, mitzubringen.
    Die beiden Schleppegrells und Bie, die den weitesten Weg hatten, waren natürlich die Pünktlichsten und ersten und trafen, weil es inzwischen leise zu schneien begonnen hatte, von kleinen Flocken überstäubt auf dem untern Turmflur ein, von dem aus eine Wendeltreppe zunächst in Ebbas und dann höher hinauf in Holks Zimmer führte. Was dann im dritten und vierten Stocke noch folgte, darum hatte sich von allen Turmbewohnern bis dahin niemand gekümmert, nicht einmal Karin, die sich's, seitdem es kalt geworden, nur noch angelegen sein ließ, möglichst warm zu sitzen, erst um ihret- und zum zweiten um eines jungen Gärtnerburschen willen, mit dem sie, gleich während der ersten vierundzwanzig Stunden ihres Frederiksborger Aufenthalts, ein intimes Verhältnis angeknüpft hatte. Sie war darin überaus erfahren, und Wärme, wie sie wußte, kam der Liebe zustatten. Auch heute wieder hatte sie für eine rechte Behaglichkeit gesorgt, und als sich die Hilleröder Gäste von der auf dem Flur herrschenden Temperatur angeheimelt fühlten, sagte Doktor Bie, während er Karin die Hand patschelte: »Das ist recht, Karin. Ihr schwedischen Mädel, ihr versteht es. Aber wie fängst du's nur an, es hier auf dem Flur so warm zu haben? Es ist ja, daß man sich gleich hier auf die Treppe setzen und den Abend bei dir zubringen möchte.«
    Schleppegrell, der die schiffsärztlichen Verkehrsformen seines Schwagers nur zu gut kannte, warf diesem einen zu minderer Vertraulichkeit auffordernden Blick zu, Karin aber, die sich mit jedem und nicht zum wenigsten mit alten Schiffschirurgen auf einen guten Fuß zu stellen liebte, wies auf eine hinter dem Treppenaufgang gelegene Wandstelle, die gerad in der Mitte zu glühen schien. Und im Nähertreten sah unser Freund Bie denn auch, daß sich hier ein in die Wand hineingebauter mächtiger Ofen befand, dessen Front natürlich in Karins Zimmer ging, während die schmucklose, nur aus Backsteinen und einer großen Eisenplatte hergestellte Hinterwand den ganzen Unterflur und mit ihm zugleich das halbe Treppenhaus heizte. »Vorzüglich«, sagte Bie, »vorzüglich. Das werd ich bei der Schloßverwaltung anregen und zur Nacheiferung empfehlen. Eiserner Ofen mit sozusagen Doppelheizung, Flur und Stube zugleich. Drüben bei der Schimmelmann, die freilich keine Karin zur Aushülfe hat, herrscht immer eine grimmige Kälte; man friert Stein und Bein und die Schimmelmann natürlich mit. Und da soll man dann helfen bei den ewigen Katarrhen, von erfrornen Händen und roter Nase gar nicht zu sprechen. Ein Glück, daß die Danner nicht hier ist. Die hat freilich ihren Leibarzt und, nicht zu vergessen, auch mehr natürliche Wärme. Sonst wäre sie nicht die, die sie ist.«
    Schleppegrell war mit dem, was sein Schwager an baulichen Verbesserungsvorschlägen vorbrachte, sichtlich uneinverstanden und sagte, während alle drei jetzt die Treppe hinaufstiegen: »Ich bin ganz dagegen, Bie. Laß die Türme genauso, wie sie sind.«
    »Ach«, lachte Bie. »Du hast wieder historische Bedenken. Ein Turm, in dem man zweihundert Jahre lang gefroren hat, in dem muß weitergefroren werden. Das nennt ihr dann Pietät, und die Pastoren haben vielleicht noch ein größeres Wort dafür. Ich für meine Person, ich bin für warm sitzen.«
    »Ja«, sagte Schleppegrell, »das ist das Vorrecht aller Nordpolfahrer. Je näher dem Nordpol, je mehr Ofenhocker. Und Schloßverwaltung, sagst du, da willst du hingehen und die Neuerung anempfehlen. Nun, ich werde mitgehen, wenn du gehst, und während du den Doppelofen, der noch dazu halb ein eiserner ist, beantragst, werde
ich
beantragen, diesen einen aus der Wand herauszureißen. Es ist der größte Leichtsinn. Und überall Tannäpfel und kienen Holz und die Dielen und Verschläge so wurmstichig wie Pfeifenzunder.«
    Unter diesen Worten waren sie die Treppe hinauf und traten bei Ebba ein, wo schon alles in festlicher Vorbereitung war: die Lampen und Lichter brannten, und der bereits gedeckte Tisch war, so weit es ging, in die tiefe Fensternische geschoben. Alles geräumig und übersichtlich. Aber ehe zehn Minuten um waren, herrschte durch den ganzen Raum hin ein summendes Durcheinander, und ein

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