Unzaehmbares Verlangen
wirklich?«
»Selbstverständlich.« Stephanie lächelte gelassen und bog in den Parkplatz eines Supermarkts ab. »Ich könnte mir allerdings vorstellen, daß deine Definition von Liebe anders ist als meine. Ich hoffe, es macht dir nichts aus, wenn wir hier kurz halten? Ich brauche noch Feta-Käse und Salsa.«
»Nein, natürlich nicht.«
Einige Stunden später lag Letty in ihrem Bett und lauschte den gedämpften Stimmen, die durch das offene Fenster hereindrangen. Ihr Vater und Stephanie saßen noch auf der verglasten Terrasse, die einen herrlichen Blick auf die Lichter der Stadt und die Elliot Bay bot.
»Glaubst du, sie wird in Seattle bleiben, Morgan?«
»Ich bin mir nicht sicher. Aber sie braucht eine Veränderung. Es täte ihr nicht gut, jetzt nach Vellacott zurückzukehren.«
»Du hast wahrscheinlich recht. Sie tut mir leid, weil sie einen etwas verlorenen Eindruck macht. Vielleicht hat die geplatzte Verlobung sie doch mehr mitgenommen, als wir ahnen.«
»Letty ist stark - sie wird schnell wieder auf die Beine kommen. Es ist sehr lieb von dir, daß du dir Gedanken um sie machst, Stephanie.«
»Sie ist deine Tochter, also ist es selbstverständlich, daß ich besorgt bin.« Es folgte ein kurzes Schweigen. »Ich glaube nicht, daß sie unsere Beziehung versteht und akzeptiert«, fügte sie dann hinzu.
»Gib ihr ein wenig Zeit.«
Beide schwiegen. Letty drehte sich auf die Seite und zog die Beine hoch. Nach einer Weile hörte sie wieder Stephanies Stimme.
»Der Kurs heute war wundervoll, Morgan. Ich werde morgen anfangen, Matthew Christopher akustisch zu stimulieren.«
Morgan lachte leise. »Du wirst schon bald mit ihm sprechen können, während du ihn in den Armen hältst.«
»Noch zwei Monate.«
Letty bemerkte, daß in Stephanies Stimme freudige Erwartung lag, aber auch eine gewisse Spannung mitschwang. Sie dachte daran, wie ernsthaft Stephanie jedes Wort von Professor Blanchfort notiert hatte. Es hatte beinahe den Anschein gehabt, als hätte sie Angst, etwas zu versäumen.
Angst. Plötzlich begriff Letty. Das war genau das richtige Wort. Aber irgendwie ergab das keinen Sinn. Stephanie war unerschütterlich, nicht aus der Ruhe zu bringen. Sie war immer beherrscht und hatte alles unter Kontrolle.
»Ich muß mich nach dem italienischen Bettchen erkundigen, das wir bestellt haben - es müßte mittlerweile abholbereit sein«, meinte Morgan.
»Der Künstler, der das Mobile dafür entwirft, sagte mir heute, es sei fast fertig. Er hat sich für Motive aus der Pflanzenwelt entschieden.«
Letty lauschte den leisen Stimmen noch eine Weile. Sie fühlte sich im Haus ihres Vaters plötzlich als Außenseiterin.
Es wurde höchste Zeit, auszuziehen. Sie beschloß, sich baldmöglichst nach einer eigenen Wohnung umzusehen.
Schon morgen würde sie bei Thornquist Gear im Büro des Firmeninhabers sitzen. Der Gedanke erfüllte sie mit Vorfreude. Ein neues Leben wartete auf sie.
Joel studierte aufmerksam den Computerausdruck auf seinem Schreibtisch. Alles war gut vorbereitet. Die kleinen En-ten waren sorgfältig in einer Linie aufgereiht - er brauchte nur noch die Geschütze abzufeuern. Copeland Marine Industries war so gut wie erledigt.
Eigentlich sollte er ein stärkeres Gefühl der Zufriedenheit empfinden. Immerhin hatte er fünfzehn Jahre auf diesen Moment gewartet. In einem Monat würde alles vorbei sein.
Warum war er dann heute so gereizt? Joel stand auf und ging zum Fenster hinüber. Es mußte an Letty Thornquist liegen. Morgen würde sie hier hereinschneien, um die Chefetage zu übernehmen.
Chefetage - der Begriff war nicht sehr treffend. Thornquist Gear war bisher auch gut ohne so etwas ausgekommen. Die Räume hatten die meiste Zeit sowieso leer gestanden. Wenn Charlie hin und wieder an seinem Schreibtisch gesessen hatte, dann nur um Köder an seinen Angelruten zu befestigen.
Vier Stockwerke unter Joels Büro befanden sich die Verkaufsräume von Thornquist Gear. Dort wurde im Augenblick hart gearbeitet. Die Campingsaison war vorüber, und man mußte sich auf die Skisaison vorbereiten. Schon jetzt fragten die ersten Kunden nach Skistiefeln.
Vor zehn Jahren hatte Thornquist Gear aus einem kleinen Laden in der First Avenue bestanden. Jetzt gab es ein großes Bürogebäude und mehrere Geschäfte in Seattle und Portland.
In den unteren beiden Stockwerken der Zentrale befanden sich die Verkaufsräume, und in den oberen beiden Etagen waren Büros für die Buchhaltung, Marketing und die verschiedenen anderen
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