Unzaehmbares Verlangen
ganz anders als Mutter.«
»Deine Mutter war eine wunderbare Frau, Letty, und ich habe sie dreißig Jahre lang geliebt. Aber sie hat uns verlassen, und ich weiß, sie hätte sich gewünscht, daß ich wieder glücklich werde.«
»Natürlich, Dad. Aber mit einer Frau wie Stephanie?« Letty biß sich entsetzt auf die Lippen. Jetzt war sie wohl zu weit gegangen.
Morgan runzelte erneut die Stirn, bis die buschigen Augenbrauen eine gerade Linie über seinen grünen Augen bildeten. »Stephanie ist jetzt meine Frau, Letty. Und sie erwartet ein Kind von mir. Ich kann dich nicht zwingen, Zuneigung zu ihr zu empfinden, aber ich werde dafür sorgen, daß du sie mit gebührendem Respekt behandelst.«
Letty fühlte sich schuldig. »Es tut mir leid, Dad. Du weißt, ich würde nie unfreundlich zu ihr sein. Um deinetwillen versuche ich, sie als Familienmitglied anzusehen.«
»Tu das, denn sie ist ein Mitglied unserer Familie.«
Letty hob das Kinn. »Willst du wissen, was das eigentliche Problem zwischen Stephanie und mir ist?«
»Du denkst wahrscheinlich, sie will Mutters Platz einnehmen.«
»Nein. Wenn ich ehrlich bin, fühle ich mich von ihr eingeschüchtert.«
Morgan warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Eingeschüchtert? Was meinst du damit?«
»Das ist schwer zu erklären«, sagte Letty zögernd und wünschte, sie hätte das Thema nicht zur Sprache gebracht. »Sie ist nur elf Jahre älter als ich.«
»Willst du mir etwa vorwerfen, ich hätte eine Frau geheiratet, die viel zu jung für mich ist?«
Letty schüttelte den Kopf. Stephanie war natürlich zu jung für ihren Vater, aber es hatte keinen Sinn, ihm das zu sagen. »Nein. Ich wollte damit zum Ausdruck bringen, daß sie mir das Gefühl vermittelt, ein naives kleines Mädchen zu sein - und das, obwohl sie nur einige Jahre älter ist als ich.«
»Naiv?«
Letty dachte einen Moment nach. »Vielleicht ist das nicht der richtige Ausdruck. In ihrer Gegenwart fühle ich mich weltfremd. Linkisch. Wie ein Bauerntrampel. Verstehst du, was ich meine?«
Morgan lächelte. »Ich denke schon. Mir ging es am Anfang genauso. Aber hinter dieser perfekten Fassade verbirgt sich ein liebenswürdiger, herzlicher Mensch. Ich möchte gern, daß du die wirkliche Stephanie kennenlernst und dich mit ihr anfreundest.«
»Das versuche ich doch, Dad.«
»Du mußt dir ein wenig mehr Mühe geben.«
»Wie soll ich das anstellen?«
»Ich möchte dich um einen Gefallen bitten, Letty. Stephanie hat sich für einige Kurse über Schwangerschaft und Säuglingspflege angemeldet. Es wäre schön, wenn du sie hin und wieder begleiten könntest. Wenn ihr mehr Zeit miteinander verbringt, kommt ihr euch sicher näher.«
Letty starrte ihn verblüfft an. »Ich soll Kurse über Säuglingspflege besuchen?«
»Tu es für mich, Letty. Und für Matthew Christopher.«
Zwei Tage später saß Letty mit Stephanie in einem Vorlesungssaal in Seattle unter lauter schwangeren Frauen. Professor Harold Blanchford war Experte hinsichtlich der Entwicklung des ungeborenen Kindes im Mutterleib, und seine Ausführungen waren eigentlich recht interessant. Letty sah aus dem Augenwinkel, daß Stephanie sich leicht vorbeugte und ihre ganze Aufmerksamkeit dem Vortrag widmete. Währenddessen machte sie sich fein säuberlich Notizen.
»Es gibt viele Beweise dafür, daß ein Fötus im dritten Abschnitt der Schwangerschaft Geräusche erkennen kann und darauf reagiert. Anhand einiger Untersuchungen wurde nachgewiesen, daß ein Neugeborenes auf die Stimme der Mutter anspricht, weil es sie - noch im Mutterleib - einige Wochen wahrgenommen hat und sich daran erinnert.«
Letty fühlte sich ein wenig unbehaglich unter all den schwangeren Frauen. Die Situation zwang sie, sich mit einem Thema zu beschäftigen, das sie in letzter Zeit verdrängt hatte. Jetzt fiel es ihr allerdings schwer, sich selbst vorzumachen, daß auch sie einmal eine eigene Familie haben würde.
Früher oder später mußte sie sich vielleicht damit abfinden, daß ihre Aussichten auf einen Ehemann und Kinder nicht allzu gut standen. Das Fiasko mit Philip hatte ihr gezeigt, daß sie wahrscheinlich nie fähig sein würde, richtig auf einen Mann zu reagieren.
»Tests an Neugeborenen, denen von den werdenden Müttern während der Schwangerschaft Geschichten vorgelesen wurden, haben eindeutig bewiesen, daß ein Kind sich später daran erinnern kann«, fuhr der Professor fort.
Letty beugte sich zu Stephanie hinüber. »Vielleicht solltest du Matthew Christopher vor der
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